EI Der Eisenbahningenieur

RAD/SCHIENE-TAGUNG 40 EI-Eisenbahningenieur | Februar 2010 Abb. 7: Hocheinfedernde Räder der Bauarten Bo 01 und LoRa über gleiches Sicherheitsniveau. In den vergangenen beiden Jahrzehnten fand eine Vielzahl weiterer Entwicklungsschritte statt, um die beiden vorgenannten Radtypen den sich fahrzeugseitig stetig ändernden Anforderungen anzupassen. Während bei den Straßenbahnfahrzeugen Anfang der 1960er Jahre noch Radsatzlasten von ca. 6 t bei Raddurchmessern von 730 mm gängig waren, besteht heute die Forderung, Radsatzlasten von bis zu 13 t bei 560 mm Laufkreisdurchmesser zu realisieren. Zusätzlich führen bei Niederflurfahrwerken enge Bauweisen zu zusätzlicher Beanspruchung der Gummifederung durch Motor- und/oder Bremswärme. Gestiegene Umweltanforderungen bedingen u.U. zusätzliche Schalldämpfungselemente zur Beseitigung auftretender Restkurvengeräusche auf Kosten des Platzes für die Gummifederung. Vor diesem Hintergrund sind die Radbauarten Bo 2000 und Bo 06 entstanden, die diesen Anforderungen Rechnung tragen (Abb. 6). Die Bochumer Zweiringradbauarten Alle gummigefederten Radbauarten mit durch die Radkraft auf Druck beanspruchten Federelementen besitzen eine relativ hohe radiale Federsteifigkeit imBereichvon etwa 50 bis 250 kN/mm. Die besonders in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelten Zwei- und Mehrringräder, die durch die vertikal wirkende Radkraft auf Schub beansprucht werden, weisen gegenüber den Einringradtypen eine veränderte Federcharakteristik auf. Hiermit lassen sich radial deutlich größere Federwege realisieren, während diese Räder in axialer Richtung relativ steif sind. Dadurch steigt die Belastung der Gummifederung und deren Erwärmung durch die mit der Einfederung verbundene Verlustarbeit, d. h. sie ist insgesamt voluminöser auszuführen. Zusätzlich kommt bei derartigen Lösungen den Stahlbauteilen einschließlich deren Verbindung eine wesentlich größere Kritizität zu als den Einringradtypen. Neue Anforderungen aus dem Bereich der Niederflurtechnik, bei denen aus Platzgründen auf die Primärfederstufe verzichtet werden musste, führten in den 1990er Jahren zur Nachfrage nach derartigen Radkonstruktionen. Unter Nutzung der heute verfügbaren Entwicklungswerkzeuge wurden entsprechende hocheinfedernde Räder entwickelt. Die ursprünglichen Randbedingungen waren vergleichbar denen anderer Niederflurkonzepte, d. h. bei einer Radsatzlast von 10 t sollte der Raddurchmesser im Neuzustand 600 mm betragen. Das Entwicklungsergebnis für diesen Anwendungsfall stellt die Radbauart Bo 01 dar (Abb. 7). Die Gummifederung besteht aus zwei umlaufenden axial vorgespannten Gummiringen mit anvulkanisierten Blechen, die mit dem Mittelflansch des Radreifens und dem Scheibenradkörper bzw. der Haltescheibe in Kontakt stehen. Verbunden wird die Haltescheibe mit dem Scheibenradkörper über drehwinkelgesteuert vorgespannte Schrauben, die sich über Distanzhülsen axial abstützen. Diese erfordern Durchbrüche in den Federelementen und im Mittelflansch des Radreifens. Durch diese konstruktive Lösung bleiben die Schrauben aber auch unter den Rad/Schiene-Beanspruchungen biegemomentfrei und stellen damit keine potenzielle Schwachstelle dar. Im Weiteren ergab sich der Bedarf, die Radsatzlast bei gleichbleibendem Laufkreisdurchmesser bis auf 13 t anzuheben. Das Erreichen ausreichender Standzeiten der Gummifederung – das sich an der Radreifenlebensdauer zu orientieren hat – erforderte eine Vergrößerung des Gummivolumens gegenüber dem Bo 01-Rad. Da eine Veränderung der übrigen Schnittstellen, wie Laufkreisdurchmesser oder Verschleißmaß, nicht akzeptabel war, mussten die Federelemente modifiziert werden. Auf der Basis von Betriebsfestigkeitsbetrachtungen wurde festgestellt, dass das zusätzlich erforderliche Gummivolumen den Verzicht auf die Durchbrüche in den Gummiringen für die Verschraubung in Verbindung mit weiteren Modifikationen erforderte. Die Entwicklung führte zum leistungsoptimierten Zweiringrad der Bauart LoRa, bei der als besonderes weiteres Merkmal die Verbindung zwischen Scheibenradkörper und Haltescheibe in Anlehnung an die bewährten Einringräder der Typen Bo 84 bis Bo 06 erfolgte. D. h. die Sicherung der Haltescheibe erfolgt primär über eine besonders ausgebildete kegelige Pressverbindung auf dem Scheibenradkörper (Abb. 7). Die radialen Federsteifigkeiten der Radtypen Bo 01 und LoRa liegen im Bereich von ca. 15 bis 30 kN/mm. Ein weiteres Merkmal ist die bauartbedingt weiter verbesserte Bedämpfung der Radeigenfrequenzen, wie Feldmessungen zeigen. Damit kann ein weiterer Beitrag zur Schallreduktion auch bei Verzicht auf Zusatzmaßnahmen wie Radschallabsorber geleistet werden. Während bei den Einringradbauarten der auf den Gummielementen gebettete Radreifen bei sehr ungünstigen Anregebedingungen noch in seinen axialen Eigenformen mit lärmtechnisch nennenswerten Amplituden schwingen kann, erfolgt bei den beiden hocheinfedernden Rädern durch die Anordnung der Gummiringe in Verbindung mit den Stahlteilen eine zusätzliche Bedämpfung dieser für das Kurvenkreischgeräusch maßgebendenEigenschwingformen. Zusätzlich besteht aber auch hierbei die Möglichkeit additiver lärmmindernder Zusatzmaßnahmen durch die Ausrüstung mit Radschallabsorbern oder Dämpfungsringen. Resümee und Ausblick Speziell aus dem städtischen Schienenverkehr sind gummigefederte Räder heute nicht wegzudenken. Sie stellen einen erheblichen Geräusch- und Erschütterungsabbau sowie eine Erhöhung der Laufleistung im Vergleich zu starren Rädern sicher. In den vergangenen Jahrzehnten sind insbesondere durch Einführung der Niederflurtechnik die Anforderungen an das Radmaterial kontinuierlich gestiegen. Vielfach sind fahrwerksbedingt nur geringe Freiräume verfügbar, dafür aber hohe Belastungen

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