Auszug | eb - Elektrische Bahnen 6-7 | 2022

236 Fachwissen Grundlagen 120 (2022) Heft 6-7 Risikoanalyse der Schnellbremsung bei frontaler Kollisionsgefahr Rustam Tagiew, Thomas Buder, Kai Hofmann, Christian Klotz, Dresden Technische Systeme für den fahrerlosen Zugbetrieb müssen unter anderem potenzielle frontale Kollisionen sowie den Kontakt mit einem Hindernis erkennen. Selbst wenn der Bremsweg länger als die Sichtweite und eine Kollision nicht mehr vermeidbar ist, kann eine frühzeitige Schnellbremsung sich positiv auf die Kollisionsfolgen auswirken. In diesem Beitrag wird anhand eines konkreten Beispiels beschrieben, welche Daten für die Zulassung solcher technischen Kollisionserkennungssysteme benötigt werden. Risk analysis of emergency braking in case of frontal collision threat Technical systems for driverless train operation must, among other things, detect potential collisions as well as contact with an obstacle. Even if the braking distance is longer than the visibility and a collision is no longer avoidable, early emergency braking can have a positive effect on the collision consequences. This article uses a concrete example to describe the data required for the approval of such technical collision detection systems. Analyse de risques lors de freinage d‘urgence en cas de danger de collision frontale Les systèmes techniques mis en œuvre pour l‘exploitation des trains sans conducteur doivent, entre autres, détecter les collisions potentielles ainsi que les contacts avec un obstacle. Dans la situation où la distance de freinage serait plus longue que celle de visibilité et qu‘une collision ne puisse plus être évitée, un freinage d‘urgence précoce peut avoir un effet positif sur les conséquences de la collision. Cet article présente un exemple concret décrivant les données pour l‘homologation de tels systèmes de détection de collision. 1 Einführung Autonomes Fahren im Eisenbahnverkehr ist mit anderen Herausforderungen konfrontiert als es im Straßenverkehr der Fall ist. Eisenbahnfahrzeuge können weder frontalen Hindernissen ausweichen noch so schnell wie Straßenfahrzeuge bremsen und die Bremsen lösen. Um ohne Ausweichmöglichkeit fahrzeugseitig frontale Kollisionen zu verhindern, müsste der erste Sichtkontakt mit dem Hindernis in einer größeren Entfernung als dem Bremsweg erfolgen. Dies wird bisher im Regelbetrieb weder gefordert noch kann es bereits aufgrund natürlicher Sichtfähigkeiten menschlicher Triebfahrzeugführer (Tf) erreicht werden. Systemseitige Hindernisse wie andere Eisenbahnfahrzeuge, offene Bahnübergänge und Sperrungen werden durch die Leit- und Sicherungstechnik (LST) mittels Signalen streckenseitig dem Tf mitgeteilt. Mit sicherungstechnisch nicht erfassten – externen – Hindernissen umzugehen ist Aufgabe des Tf. Bei Sichtkontakt oder spätestens bei Kollision muss er eine Schnellbremsung nach EN 14478 durchführen [1], bei der die maximale Bremskraft durch Anwendung aller einsatzfähigen Bremsen erreicht wird. Auch bei drohenden seitlichen Kollisionen wie zum Beispiel bei Flankenfahrten oder technischen Ausfällen muss eine Schnellbremsung eingeleitet werden. Für ein technisches System werden keine geringeren Anforderungen gelten. Das zeigt auch der Vergleich mit dem automatisierten Fahrbetrieb (Automatic Train Operation, ATO) im U-Bahnbereich: Gemäß §53 II Nr. 2 der Straßenbahn-Bau- und Betriebsordnung (BOStrab) [2] muss regelmäßig überprüft werden, dass der lichte Raum frei von externen Hindernissen ist. Zudem bedarf es nach 8.5.5 IEC62267:2009 [3] fahrzeugseitiger Einrichtungen, die das Hindernis spätestens bei der Berührung erkennen und eine Zwangsbremsung auslösen. Bei frontaler Kollisionsgefahr kann sie selten eine Kollision verhindern; sie reduziert aber den zu erwartenden Schaden, indem diese die Geschwindigkeit beim Aufprall reduziert, diesen zeitlich hinauszögert und den Gefahrenbereich verkleinert, so dass die Chance des Hindernisses steigt, den Gefahrenbereich noch zu räumen. Nach VDE V0831-103 [4] führt ein Zusammenstoß mit einem bemannten Straßenfahrzeug bei Geschwindigkeiten über 40 km/h erwartungsgemäß zu einem Todesfall und darunter zu einem Schwerverletzen. Entsprechend eb 6-7 2022 ePaper Abonnement 2022 ã Georg Siemens Verlag GmbH & Co. KG Vervielfältigung und Verbreitung unzulässig und strafbar!

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