Das System Bahn

26 2 Die Entwicklung der Bahn in Deutschland 2 Die Entwicklung der Bahn in Deutschland Jürgen Siegmann, Eberhard Jänsch 2.1 Die Wurzeln in England und Deutschland Schon im Altertum gab es auf den Transportwegen der alten Griechen und Römer Streckenabschnitte mit Spurrillen. In Mitteleuropa wurden spurgeführte Fahrzeuge im mittelalterlichen Bergbau eingesetzt. Erst mit Menschenkraft, dann mithilfe von Pferden und später mit Seilzügen und stationären Dampfmaschinen wurden Wagen über die Gleise in den Zechen gezogen. Loren ließen sich leichter schieben oder ziehen, wenn sie spurgeführt waren. Kraftersparnis, Verlegegenauigkeit und Verschleißfestigkeit waren Motive für den Übergang von Holz- auf gusseiserne Schienen und später auf Stahlschienen. Schon 1767 wurden in Coalbrookdale die ersten Barrenschienen gegossen, damals noch für die „Waggonways“, auf denen in den Eisenwerken Erz und Kohle transportiert wurde. James Watt erfand 1769 die (zunächst nur stationäre) Dampfmaschine und erhielt 1784 ein Patent für Maschinen, die Personen, Waren oder andere Gegenstände von Platz zu Platz bewegen sollten und daher selbst transportabel sein mussten. 1804 fuhr Richard Trevithick den ersten mit einer Lokomotive gezogenen Zug auf einer Bahnstrecke des Eisenwerks Pen-y-darran. Es war ein gemischter Personen- und Güterzug, beladen mit 10 t Eisen und 17 Reisenden, und man benötigte 4:05 Stunden für die 14,5 km lange Fahrt. Kohlenzechen und Eisenhütten waren aufgrund der hier anstehenden Transportaufgaben (große, regelmäßig aufkommende Massen, aber geringe Transportweiten; handwerkliche Fähigkeiten der Belegschaft, gute Ausrüstung der Werkstätten) das ideale Experimentierfeld für die Eisenbahnpioniere. 1820 wurden die bis dahin gusseisernen, nur 3 Fuß langen Schienen durch die über fünf Stützpunkte durchlaufende, 15 Fuß (etwa 4,5 m) lange schmiedeeiserne Schiene von John Birkenshaw abgelöst. Zehn Jahre später erhielten Losh und Walker ein Patent auf schmiedeeiserne Radkränze und Speichen. Bis zur Erfindung des nahtlos gefertigten Radreifens durch Alfred Krupp vergingen aber noch weitere zwei Jahrzehnte (Patente von 1851/52). George Stephenson eröffnete im Jahr 1825 mit seiner Lokomotive Engine „Locomotion No. 1“ die erste öffentliche Eisenbahnstrecke von Stockton nach Darlington. 1830 wurden in der knapp 50 km langen Strecke Liverpool −Manchester alle bis zum damaligen Zeitpunkt erkennbaren Entwicklungslinien zu dem neuen Transportsystem Eisenbahn verknüpft. „Der Prototyp des Systems Eisenbahn“ entstand (Weigelt, [1]). Die Eröffnung der Strecke am 15. September 1830 kann somit als Geburtsstunde des Systems Eisenbahn gelten. Lieferant der Lokomotiven war Robert Stephenson & Company, die 1823 von George Stephenson mit seinem Sohn Robert gegründete erste Lokomotivenfabrik der Welt. Der gesamte Streckenentwurf stammte von George Stephenson, einschließlich des 1:48 geneigten, 2 km langen Steilrampen-Tunnels in Liverpool zwischen Edge Hill und dem Hafengelände in Wapping, und der hier erstmals angewandten Spurweite von 4 Fuß 8 ½ Zoll (1435 mm). Das berüchtigte „Chat Moss“, in dem schon mancher Reisende versunken sein soll und das vordem als unüberwindliches Hindernis galt, durchquerte die Strecke auf einem auf Faschinen schwimmend gelagerten Damm. Die zweigleisige Neubaustrecke war mit Gleisbogenradien nicht unter 1990 m trassiert, mit mehreren Fluss- und Kanalbrücken, und alle querenden Straßen wurden von der Bahnlinie höhenfrei gekreuzt. 1832 wurde die Bahnstrecke Linz−Budweis in Betrieb genommen, mit Pferden als Traktionsmittel, was schon damals als anachronistisch anzusehen war, sich aber bis 1854 behaupten konnte.

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