griephan

THINK GLOBALLY!_MÜNKLER Fähigkeiten und Kompetenzen in einen Prozess der Entdifferenzierung überführt werden. Das würde auf einen dramatischen Ordnungsverlust im Alltag hochentwickelter Gesellschaften hinauslaufen. Durch eine solche „Regression“ würde der Staat an Handlungsfähigkeit und Rechtssicherheit verlieren, und die Angreifer hätten so einen Teil ihrer Ziele bereits erreicht.Was erfordert ist, sind vielmehr intelligente Reaktions- und Abwehrmuster, in denen dieVorteile spezialisierter Kompetenzbildung mit den Erfordernissen einer zuverlässigen Abwehr asymmetrischer Angreifer verbunden werden. Das ist freilich leichter postuliert als strukturell verankert und in operatives Agieren umgesetzt. Ein Ansatz zu ressortübergreifender Sicherheitspolitik ist etwa die Zusammenführung von Daten, die in den unterschiedlichen Zuständigkeitsbereichen der Ministerien und Behörden auflaufen. Aber eine unkontrollierte Datenaggregation unterläuft die Diskretionserwartungen, die der Bürger zu Recht hegt, wenn er Informationen über sich preisgibt. Pure Datenaggregation führt zu einem Informationsmoloch, der nicht nur verfassungsmäßige Rechte verletzt, sondern auch neue, ganz eigene Sicherheitsprobleme aufwirft. Dass die USA trotz ihrer gigantischen Datensammlungen nicht in der Lage waren, einen ihnen namentlich bekannten nigerianischen al-Qaida-Anhänger, der im Jemen ausgebildet worden war, rechtzeitig zu identifizieren, um ihn am Besteigen eines Flugzeugs mit Ziel Detroit zu hindern, belegt, dass die Anhäufung von immer mehr Heu nicht der Königsweg bei der Suche nach der berühmten Stecknadel ist. Der Datenmoloch kollidiert mit dem staatlichen Evolutionsimperativ der Spezialisierung. Der Datenabgleich, der zur Abwehr terroristischer Attacken wie zur Aufdeckung mafioser Verbindungen erforderlich ist, muss also intelligenter, zielgerichteter und selektiver erfolgen, und er muss so geartet sein, dass er von der Gegenseite weder antizipiert noch berechnet werden kann. Je mehr das der Fall ist, desto weniger ist der Gegner in der Lage, Daten zu manipulieren. Mit Hackerangriffen ist hier in verstärktem Maße zu rechnen. Das Beispiel ineffektiver Datenzusammenschüttung gibt einen Hinweis, wovor sich eine ressortübergreifende Sicherheitspolitik hüten muss: Sie darf nicht unter das Niveau der Kompetenzspezialisierung zurückfallen, sondern muss hochflexible Querschnittskompetenzen entwickeln, in denen sich die Vorzüge der Spezialisierung mit den Anforderungen einer ressortübergreifenden Sicherheit verbinden. Gleichzeitig müssen diese Querschnittsstäbe in der Lage sein, in ihren „Mutterhäusern“ die Prozesse zu initiieren, die für eine integrierte Sicherheitspolitik erforderlich sind. So lässt sich aus der Kooperation zugleich ein Gewinn für die spezialisierte Sicherheitsgenerierung ziehen. Hier liegt freilich die größte administrative Herausforderung, denn wenn diese komplexen Projekte aus ihrer Vertaktung kommen, sind sie schnell gescheitert. Aus der unzulänglichen Zusammenarbeit der Ressorts im Falle Afghanistans ist einiges zu lernen. authorities. But an uncontrolled data aggregation would undermine the discretion the citizens justly expect when they reveal information about themselves. Pure data aggregation leads to an information Moloch that not only violates constitutional rights but also produces security problems of a completely new kind. The fact that, despite its gigantic data collection, the USA was unable to identify a Nigerian al-Qaida supporter who had received training in Yemen and was known by name early enough to stop him from boarding an aircraft bound for Detroit, proves that stacking more and more hay is not the best way to find the famous needle. The data Moloch collides with the state evolution imperative of specialisation. The data alignment that is necessary just as much for the defence against terrorism as for exposing mafia connections, must be more intelligent, targeted and selective, and performed in a manner that it can neither be anticipated nor calculated by the opposing side. The more this is the case, the less the opponent will be able to manipulate data. This means that an increasing number of hacker attacks can be expected. The example of ineffective data aggregation indicates what a security policy across all domains needs to watch out for: It must not fall below the level of competence specialisation but must develop highly flexible overarching competences combining the advantages of specialisation with the requirements of security across all domains. At the same time the cross-sectional staffs must be able to initiate the processes required for an integrated security policy in their ‘parent departments’. In this way the cooperation would simultaneously produce benefits for the specialised generation of security. Of course, this is the greatest administrative challenge, for when these complex projects get out of step, they can easily fail. There’s a lesson to be learnt from the inadequate co-operation between the departments in the case of Afghanistan. Prof. Dr. Herfried Münkler Professor für Politische Theorie und Politische Ideengeschichte am Institut für Sozialwissenschaften der Philosophische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin. Seit Dezember 1992 Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften Professor for Political Theory and the History of Political Ideas, Institute for Social Sciences, Faculty of Arts, Humboldt University, Berlin. In 1992 he became member of the Berlin-Brandenburg Academy of Science. email_to_author@dvvmedia.com »Pure Datenaggregation führt zu einem Informationsmoloch, der neue, ganz eigene Sicherheitsprobleme aufwirft.« »Pure data aggregation leads to an information Moloch that produces security problems of a completely new kind.« © ecopix Fotoagentur 46 griephan global security 2/2010

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