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POSITION_BAKS EUROPÄISCHE SICHERHEITSPOLITIK UND DEUTSCHE INTERESSEN Das Jahr 2010 sieht die europäische Sicherheitspolitik auf mehreren Schauplätzen auf einem wichtigenWeg der Neuorientierung. Die NATO befindet sich mit der gewollt transparenten und inklusiven Erstellung eines neuen Strategischen Konzepts in einem Prozess der Selbstvergewisserung – zwei Jahrzehnte nach dem Ende des OstWest-Konflikts und fast ein Jahrzehnt nach 9/11. Es geht darum, die „mission“ der Organisation zeitgemäß zu fassen und dabei einen neuen Konsens unter der gewachsenen Zahl von Mitgliedern zu stiften. Zu den wichtigsten Fragen gehören das aktuelleVerständnis der kollektivenVerteidigung, die Neuzusammenstellung des „Werkzeugkastens“ der Allianz im Hinblick auf ihre (zu definierenden) Aufgaben, sowie die künftige Beziehung zu Partnern, insbesondere zu Russland. Die EU versucht mit der institutionellen Umsetzung des Lissabonvertrages neue Kohärenz und Schlagkraft in der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik zu erreichen – mit den EU-typischen Schritten vor und zurück. Es hat sich gezeigt, dass derVertrag mehr Fragen als erwartet offen gelassen hat – entsprechend hart wird momentan in Brüssel gerungen. Die OSZE schließlich stellt mit dem sogenannten Korfu-Prozess die Plattform, auf der die potenziell weitreichenden russischenVorschläge für eine Neuordnung der transatlantischen Sicherheitsarchitektur erörtert werden. Die mit großer Verve in die Debatte eingeführten Forderungen leiden bisher unter fehlender Konkretisierung. Bei all diesen dynamischen Entwicklungen sind genuine deutsche Sicherheitsinteressen im Kern berührt. Die Bundesakademie für Sicherheitspolitik in Berlin stellt sich der Aufgabe, diese Diskussionsprozesse zu begleiten und in der weiteren sicherheitspolitischen Gemeinde in Deutschland ein vertieftesVerständnis der aufgeworfenen Fragen zu verankern. Die Akademie hat sich die Causa „Perspektiven europäischer Sicherheitspolitik und deutsche Interessen“ daher als programmatisches Jahresthema aufgegeben. Viele Veranstaltungen werden sich über das Jahr hinweg immer wieder leitmotivisch darauf beziehen. Das gilt insbesondere für das laufende 6-monatige Sicherheitspolitische Seminar für Führungskräfte aus Bund und Ländern, das über weite Strecken unter diesem Generalthema zu sehen ist. In diesem Jahr werden in Europa die sicherheitspolitischenWeichen für mindestens ein Jahrzehnt gestellt. Alle beteiligten Akteure müssen sich dieser großen Chance bewusst sein – häufig kehren solche formativen historischen Momente nicht wieder. The year 2010 has led European security policy on an important path to reorientation in many different places. With its deliberately open and integrative development of a new Strategic Concept NATO is engaged in a process of self-reassurance – two decades after the end of the East-West conflict and almost a decade after 9/11. The aim is to find a contemporary formulation for the Allies’ ‘mission’ and generate a new consensus among the grown number of members. The most important issues include the current understanding of collective defence, the creation of a new tool kit for the Allies in view of their (still to be defined) tasks and the future relationship with the partners, in particular with Russia. With the institutional realisation of the Lisbon Treaty, the EU is trying to gain a new coherence and clout in the Common Foreign and Security Policy – by making steps forwards and backwards as is typical for the EU. It is now obvious that the Lisbon Treaty left more questions unanswered than expected – and the struggle that is now going on in Brussels is correspondingly tough. Finally, with the so-called Corfu process the OSCE provides a platform on which the potentially far-reaching Russian suggestions for a new order of the Transatlantic security architecture are being discussed. The demands that have been introduced to the debate with great verve still lack a concrete form. All these dynamic developments essentially affect genuine German security interests. The Federal College for Security Studies (BAKS) in Berlin has set out to support these discussion processes and instil a deeper understanding of the questions raised within the greater security-political community in Germany. This year the BAKS has chosen ‘Perspectives of European security policy and German interests’ as its annual programme topic. Many events will therefore relate to this topic like a leitmotif throughout the year. This applies in particular to the on-going 6-month security policy course for executive personnel from national and federal state authorities, which largely covers this general topic. This year Europe will be preparing the ground for its security policy of at least the next decade. All those involved must be aware of this great opportunity–formative historical moments like this do not come very often. European security policy and German interests Dr. Thomas Kurz Vizepräsident, Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) Vice President, Federal College for Security Studies (BAKS) www.baks.org email_to_author@dvvmedia.com griephan global security 2/2010 29

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