eb - Elektrische Bahnen 1-2 | 2022

4 Fokus 120 (2022) Heft 1-2 Elektrifizierungsgrad 75 % bis 2030 – Ein realistisches Ziel? Sowohl die Neuelektrifizierung von rund 4500 Streckenkilometern zur Erreichung des Ziels einer Elektrifizierungsquote von 75% als auch die anstehenden Ersatzinvestitionen stellen den Markt für die Planung sowie die Errichtung von Oberleitungsanlagen vor die große Herausforderung, die benötigten Kapazitäten zur Verfügung zu stellen. Sowohl die DB Netz AG als auch die Aufsichtsbehörden sind gefordert, entsprechende Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Umsetzung zu schaffen. 1 Einführung „Bis 2030 sollen 75% des Gleisnetzes elektrifiziert […] werden.“ [1]. So ist es niedergeschrieben im Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, über dessen Schwerpunkte zum Thema Energie und Verkehr auch die Fachzeitschrift eb – Elektrische Bahnen in ihrer letzten Ausgabe ausführlich berichtet hat [2]. Aber wie ist dieses Ziel zu erreichen? Und ist das Ziel mit den derzeitigen Ressourcen überhaupt realistisch? 2 Derzeitiger Stand 2.1 Neuelektrifizierung Das Streckennetz der DB umfasst mit Stand Ende 2020 eine Länge von 33 268km, davon sind 20 365km elektrifiziert [3]. Dies entspricht einem Elektrifizierungsgrad von rund 62%. Zur Zielerreichung von 75% elektrifiziertem Streckennetz sind bis 2030 daher rund 4500 km des bestehenden Netzes mit einer Oberleitung auszurüsten. In der letzten Dekade, das heißt im Zeitraum 2010 bis 2020, wurden im Durchschnitt allerdings nur rund 65 Streckenkilometer im Jahr elektrifiziert. Unter Beibehaltung dieser Geschwindigkeit im Ausbau von Oberleitungsanlagen wäre bis zum Jahr 2030 ein Elektrifizierungsgrad von rund 63% erreicht und das angestrebte Ziel würde weitgehend verfehlt (Bild 1). Zum Erreichen des Ziels von 75% sind ab diesem Jahr im jährlichen Durchschnitt rund 500 Streckenkilometer an Oberleitungsanlagen zu errichten. Unter Berücksichtigung eines Vorlaufes von drei Jahren für Planungsleistungen sowie Kapazitätsaufbau sind ab 2025 im Jahr durchschnittlich 720 km Strecke zu elektrifizieren, wie in Bild 2 verdeutlicht. Für den Zeitraum 2021 bis 2025 werden hierfür weiterhin durchschnittlich 65 km Streckenelektrifizierung pro Jahr angenommen. Vorschläge für Elektrifizierungsvorhaben in allen 16 Bundesländern hat die Allianz pro Schiene bereits im Januar 2019 unterbreitet. Die Vorschläge haben eine Gesamtlänge von 3321 km [4]. 2.2 Ersatzinvestitionen Die umfangreiche Elektrifizierung des Streckennetzes der damaligen Deutschen Bundesbahn begann im Jahr 1955 (siehe Bild 3). Im Zeitraum von 1955 bis 1975 wurden bei der Deutschen Bundesbahn durchschnittlich rund 400 Streckenkilometer jährlich elektrifiziert mit Spitzenwerten von 829 km (1964) und 818 km (1967) [5]. -100 0 100 neuelektrifzierte Streckenlänge pro Jahr 200 300 400 500 600 700 800 km km 57 59 61 63 65 67 69 71 73 75 % 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026 2027 2028 2029 2030 Jahr Elektri zierungsquote 3 2 1 Bild 1: Streckenelektrifizierung 2009 bis 2021 und Elektrifizierungsziele 2030 (Bilder 1 und 2: aufbereitet von Fritjof Aufschläger mit Daten aus der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung, Investitions- und Zustandsbericht (LuFV-IZB) der DB AG, bearb. Thomas Nickel). 1 – tatsächliche Elektrizierungsquote 2009 – 2021, 2 – angestrebte Elektifizierungsquote nach dem Konsortialvertrag 2021, 3 – Elektrifizierungstrend aus 2022 – 2030

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