Auszug | eb - Elektrische Bahnen 2-3 | 2020

51 Fokus 118 (2020) Heft 2-3 komotive erfüllte sich nicht, der Kerngedanke Preis- und Kostendegression findet sich aber heute in dem Familien- und Modulprinzip wieder. Während seiner Zeit bei den deutschen Bahnen arbeitete er in vielen nationalen und internationalen Gremien und setzte dabei besondere Akzente im damaligen Verband Deutscher Elektrotechniker (VDE), in der elektrotechnischen Normung und der Ingenieurausbildung. Insbesondere in den Gremien der UIC legte er mit seiner Arbeit und seinem Fachwissen Grundsteine für viele der heute selbstverständlichen UIC-Merkblätter und den europäischen Normen. In dieser Zeit appellierte er immer wieder für eine Harmonisierung der technischen Vorschriften. Um diesen Ansatz auch zu diskutieren, initiierte Wolfgang Harprecht 1991 die erste internationale Konferenz über elektrische Bahnsysteme in Würzburg. Sie war Blaupause für die seit 2003 im Zweijahresrhythmus sehr erfolgreich durchgeführte Konferenz für die Wechselstrom-Bahnenergieversorgung (acrps). Ende März 1993 trat Wolfgang Harprecht in den Ruhestand. Das zeitliche Zusammentreffen mit der Zusammenführung von Deutscher Bundesbahn und Deutscher Reichsbahn zur Deutschen Bahn AG Anfang 1994 mag dabei kein Zufall sein. Nach seinem Ausscheiden und mit der Bahnreform konnte der elektrotechnische Fachdienst in dieser integrierten Form nicht fortgeführt werden. Wolfgang Harprecht konnte nach seinem Ausscheiden aus der DB nicht rasten und stellte sich einer neuen Herausforderung. Er unterstütze das ChinaGeschäft der damaligen AEG, später Adtranz. Es galt, die vier deutsch-chinesischen Verkehrsprojekte vorzubereiten, die auf Regierungsebene in der Ära von Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl vereinbart worden waren [2]. Zu den Arbeitsschwerpunkten Wolfgang Harprechts zählte die Elektrifizierung der fast 1000 km langen zweigleisigen Bahnstrecke Harbin – Dalian. Die Strecke ging 2002 in Betrieb. Dieses Projekt hat in China für die deutsche Bahnindustrie die Türen geöffnet. Der Deutschen Maschinentechnischen Gesellschaft (DMG) war Wolfgang Harprecht in besonderem Maße verbunden. Mitglied seit 1953, war er von 1956 bis 1993 Vorstandsmitglied. Er wurde 1959 mit dem Beuth-Preis und 1989 mit der BeuthMedaille in Gold geehrt. Im Jahr 1997 wurde ihm die Beuth-Ehrenmedaille in Anerkennung seiner Verdienste bei der Einführung der Drehstrom-Antriebstechnik und der Fortentwicklung des 162/3 -Hz-Bahnstromsystems verliehen. Wolfgang Harprecht engagierte sich in der Zeit von 1982 bis 1993 als federführender Herausgeber für die Fachzeitschrift eb – Elektrische Bahnen. Schon Jahre zuvor war er der eb als Beirat sowie durch die Arbeit als Redaktionsmitglied und später als Chefredakteur eng verbunden. Er sorgte persönlich dafür, dass die Themen seines Arbeitsgebiets regelmäßig, fachlich fundiert und ausführlich in der ebdokumentiert wurden. Bis in die Gegenwart teilte er als Beiratsmitglied und Ehrenbeirat der Zeitschrift seine Erfahrungen und gab Hinweise basierend auf seiner Berufstätigkeit und zahlreichen Auslandseinsätzen. Beispielsweise sind dies Einschätzungen zu den Erwartungen und zur Sichtweise von eb-Lesern, vor allem solchen mit fremdsprachigem Hintergrund, oder auch zu Auswirkungen des Wandels in der Medienlandschaft, der längst auch das Gebiet der Fachliteratur erfasst hat. Leser kennen ihn über die deutschen Grenzen hinaus auch als Autor einer Reihe von Fachaufsätzen, die technische Lösungen im Einzelnen behandeln, seinerzeitige Großprojekte beschreiben, den Entwicklungsstand von Bahnen dokumentieren oder bis in den Bereich bahntechnischer Visionen reichen. Neben seinem unkonventionellen Arbeitsstil beeindruckte Wolfgang Harprecht durch unbeugsame Konsequenz nach allen Richtungen beim Verfolgen und Verteidigen seiner weit gesteckten Ziele und klaren Positionen. Dies kumulierte bei hochsensiblen Themen wie der Arbeits-, Betriebs- und öffentlichen Sicherheit in den Oberleitungsanlagen der Bahnen. Er setzte durch und konnte Kraft seines öffentlichrechtlichen Status‘ gegen schwerste Pressionen durchhalten, dass während seiner DB-Amtszeit Fahrleitungen entweder weiter unter Spannung bleiben oder aber entfernt werden müssen, damit sie in abgeschaltetem Zustand nicht eine trügerische UnGefahr mit Blick auf die gleich aussehenden eingeschalteten Fahrleitungen darstellen können. Die ihm eigene, manchmal durchaus eigenwillige, jedoch überaus erfolgreiche Vorgehens- und Arbeitsweise hat Akzente beim elektrotechnischen Fachdienst beider deutschen Bahnen gesetzt. Einen ganz anderen Chef und Partner konnte erleben, wer seinen hohen Anforderungen entsprach, wer ihn außerdienstlich traf oder ihn bei den gesellschaftlichen Anlässen erlebte. Mit Wolfgang Harprecht verlieren wir einen der letzten Kämpfer für eine gesamtheitliche Betrachtung des Systems Elektrische Bahn. Dirk Behrends Für die Gremien der Zeitschrift eb – Elektrische Bahnen Thomas Groh Dr. Steffen Röhlig Federführender Herausgeber Chefredakteur [1] Harprecht, W.; Kießling, F.; Seifert, R.: „406,9 km/h“ - Weltrekord auf der Schiene - Energieübertragung bei der Rekordfahrt des ICE der DB. In: Elektrische Bahnen 86 (1988), H. 9, S. 268-289. [2] Harprecht, W.: Vierzig Jahre elektrischer Betrieb bei den chinesischen Eisenbahnen. In: Elektrische Bahnen 96 (1998), H. 5, S. 122-141.

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