Auszug | eb - Elektrische Bahnen 2-3 | 2020

50 Fokus 118 (2020) Heft 2-3 LebenswerkElektrische Bahn Dipl.-Ing. Dipl.-Wirtsch.-Ing. Wolfgang Harprecht ist nach einem ereignisreichen Leben am 7. März 2020 kurz vor Vollendung seines 89. Lebensjahres verstorben. Wolfgang Harprecht gehörte zu der heute seltenen Spezies von Führungskräften in Großunternehmen, die den zu leitenden Bereich von der Pieke auf kannten und niemals den Bezug zur Praxis verloren: Manchmal war die Hubbühne von Oberleitungsbaufahrzeugen sein zweiter Arbeitsplatz. Nach dem Elektrotechnikstudium an der Technischen Hochschule Braunschweig und der Technischen Universität (TU) Berlin bis 1955 und nach kurzer Tätigkeit im Dynamowerk von Siemens in Berlin absolvierte er bei der Deutschen Bundesbahn (DB) Laufbahnausbildung und 1958 -prüfung für den höheren technischen Verwaltungsdienst und verschrieb sich ganz der Bahn. Parallel zu einigen Eingangsstationen im Betriebsmaschinen- und im Werkstättendienst sowie im damaligen BundesbahnZentralamt München absolvierte er ein betriebswirtschaftliches Aufbaustudium an der TU München. Erste Auslandserfahrung sammelte Wolfgang Harprecht, von der DB beurlaubt, 1969/70 als Experte für Verkehr und Verkehrswirtschaft bei der Indonesischen Staatsbahn. Zehn Jahre später war er während eines weiteren Auslandseinsatzes als Berater der Ägyptischen Staatsbahn tätig. Überregionales Aufsehen erlangte er als Leiter einer Task Force, welche die Bahnenergieversorgung der S-Bahn München zu den dortigen olympischen Sommerspielen 1972 sicherstellte. Dass man 10MW je Zug nicht einfach aus einer „vorhandenen Steckdose“ ziehen könne, hatte er noch wiederholt klarzumachen, zunächst als Dezernent und dann als Leiter der Zentralen Bahnstromversorgung der DB in Frankfurt am Main. Ab 1976 war er Leiter für Budget, Recht, Personal und Elektrotechnik in der Bahnbauzentrale der DB. 1978 wurde Wolfgang Harprecht in der Hauptverwaltung Leiter des Fachbereiches Planung und war zuständig für verkehrspolitische Fragen, Organisation und Unternehmenskonzeption der DB. 1980 übernahm er dort den Bereich Elektrotechnik, zu dem damals neben Vorhaltung und Betrieb der elektrotechnischen Anlagen auch die Entwicklung elektrischer Triebfahrzeuge gehörte. In den folgenden Jahren prägte sein Wirken die Elektrotechnik der DB nachhaltig und brachte ihm hohe Anerkennung im In- und Ausland. So forcierte er die Entwicklung der Drehstromantriebstechnik. Für die Prototyplokomotiven der Baureihe 120 forderte er den Nachweis der Serienreife. Er erhöhte die Zuverlässigkeit der Elektroanlagen durch Einsatz moderner und modularer Technik. Die Kosten seines Bereiches senkte er durch kaufmännisches Handeln: An Stelle fiskalischer Personalzuteilungen vereinbarte er Budgets mit seinen Führungskräften, und die Investitionen drückte er durch Entwicklung von Normschaltanlagen und Regeloberleitungen. Den Zusammenschluss der elektrotechnischen Dienste der beiden deutschen Bahnen und ihrer Bahnenergienetze betrieb er ab 1989 mit größtem Nachdruck. 35 Jahre lang war Wolfgang Harprecht die lebendige Widerlegung der These, dass man den Beamtenstatus gegen unternehmerisches Denken und Handeln immunisieren müsse: In den frühen 1980er Jahren exerzierte er beispielsweise mit seinem elektrotechnischen Dienst Kostenrechnung, als andere diesen Begriff, überspitzt gesagt, noch mit Bewirtungsabrechnungen assoziierten. Wolfgang Harprecht überraschte sein Gegenüber stets durch Detailwissen und Visionen: Für die ICERekordfahrt 1988 [1] überprüfte er selbst jedes Element der dafür vorbereiteten Oberleitung. Schon vor der Bahnreform propagierte er ein privatrechtlich arbeitendes Bahnenergieversorgungsunternehmen, wie sie einige Jahre später tatsächlich teilweise entstand. Seine Idee einer europäischen Universallo-

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