Auszug | eb - Elektrische Bahnen 2-3 | 2019

108 Historie 117 (2019) Heft 2-3 Vor 90 Jahren: Abschluss der Großen Elektrisierung in Berlin Im April 1929 war in Berlin die Umstellung des Personennahverkehrs auf der Stadt-, der Ring- und den Vorortbahnen von Dampf- auf Elektrotraktion abgeschlossen, und die Anlieferung einer Großse- rie elektrischer Triebzüge dafür war in vollem Gange. Die von ihren Abgangsbahnhöfen an der früheren Stadtperipherie strahlenförmig nach allen Richtun- gen ins Berliner Umland führenden Vorortbahnen, die diese Bahnhöfe und die Kopfbahnhöfe der Fern- bahnen verbindende Ringbahn (Halbringe Ost 1871 und West 1877 in Betrieb) und vor allem die Ost- West-Durchmesser-Stadtbahn (eröffnet 1882) waren für elektrischen Betrieb prädestiniert. Halteabstände bis herab zu 1 km besonders auf der Stadtbahn be- anspruchten und belasteten Personal, Material, Lo- gistik, Publikum und Anwohner beim Dampfbetrieb (Bild    1) in einem Ausmaß, das heute kaum vorstell- bar ist. Konkrete Vorschläge zur Umstellung der Traktion kamen in den 1890er Jahren, besonders von der Elektroindustrie, die natürlich Großaufträge erhoffte. So rüstete Siemens & Halske zur Jahrhundertwende die über Lichterfelde West führende Wannseebahn bis Zehlendorf (km 12) mit Seitenstromschiene für den Einsatz eines Elektrotriebwagens bei Nennspan- nung DC 750 V aus. Ein Bericht über diesen zweijäh- rigen Probebetrieb war der allererste Fachbeitrag der 1903 gegründeten neuen Fachzeitschrift Elektrische Bahnen (EB). In diesem Jahr folgte die UEG (Vorgän- gerin der AEG) mit ähnlicher, aber dauerhafter Aus- rüstung des 8  km langen Streckenabschnitts York- straße – Lichterfelde Ost. Fast noch nicht trocken waren 1913/14 die Unter- schriften auf dem „Übereinkommen betreffend Die Ausführung elektrischer Zugförderung“, da be- schloss Preußen, rund 200  km Nahverkehrsstrecken in und um Berlin mit Oberleitung auszurüsten und vereinbarungsgemäß mit der Spannung 1  AC 15  kV 16 2 / 3   Hz zu betreiben. Kriegsbedingt konnten die Ar- beiten erst 1919 beginnen, wofür die vom Stettiner Vorortbahnhof nach Bernau, Oranienburg und Vel- ten (Mark) führenden Vorortstrecken ausgewählt waren. Diese verzweigen sich nördlich der Ringbahn und bildeten damals ein betrieblich eigenständiges Teilnetz. Als im Fruhjahr 1921 im Bereich Pankow auf ers- ten 1,5  km Länge schon Oberleitungsmasten mit Auslegern standen, kam es zu einem radikalen Schnitt. Mit der Verstaatlichung der Länderbahnen zum 1.    April 1920 wurde, zufällig auch altersge- recht, der Chefelektriker der preußischen Staatsbahn und Verfechter der AC-Elektrifizierung Gustav Witt- feld in den Ruhestand verabschiedet, und der ent- sprechende Amtsinhaber im Reichsverkehrsministeri- um Wilhelm Wechmann ließ angesichts der katastro- phalen Wirtschaftslage das Projekt von Grund auf neu untersuchen. Im Ergebnis wechselte man im April 1921 auf ein Konzept mit Seitenstromschiene bei DC 800  V Betriebsspannung. Entscheidend dafür Bild 2: Projekt Große Elektrisierung Berliner Stadt-, Ring- und Vorortbahnen, Beginn des elektrischen Betriebs streckenweise (Grafik: BSW-Gruppe Bahnstromversorgung, bearbeitet: eb/Stefan Stettler ). rot 11. Juni 1928 (57  km) orange 10. Juli 1928 (4  km) braun 23. August 1928 (9  km) blau 6. November 1928 (42  km) grün 1. Februar 1929 (31  km) gelb 18. April 1929 (7  km)  Bahnhof Betrieb und Verkehr, Namen Stand 1928/29, hier ohne Vorsätze Berlin … oder Berlin-… spätere Änderungen: Ausstellung  Westkreuz, Stralau-Rummelsburg  Ostkreuz, Niederschöneweide-Johannisthal  Schöneweide, Treptow  Treptower Park, Schlesischer Bahnhof  Ostbahnhof  Netzleitstellen Markgrafendamm (Mkd), Halensee (Hal), Ebersstraße (Ebe), Böttgerstraße (Bö) Bild 1: Dampftraktion im Regionalverkehr Raum Berlin, Zugbildung wie auf Stadt-, Ring- und Vorortbahnen (Bild 1, 3, 4 und 6 Archiv BSW-Gruppe).

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