EI Der Eisenbahningenieur

RAD/SCHIENE-TAGUNG 36 EI-Eisenbahningenieur | Februar 2010 Gummigefederte Räder für Schienenfahrzeuge sind keine Erfindung der letzten Jahrzehnte. Bereits 1851 wurde in den USA ein Patent an N. Hodge für ein Rad erteilt, bei dem Elemente aus „vulcanized india rubber“ zwischen Radreifen und Scheibenradkörper angeordnet waren, die unter der Radkraft auf Druck beansprucht, „die Übertragung von Vibrationen in lateraler und radialer Richtung vom Radreifen auf den Scheibenradkörper“ verhindern [1]. Ein weiteres Patent wurde C. H. Cameron 1899 erteilt. Hierbei handelt es sich um ein geschraubtes Rad mit einem umlaufenden Gummiring in V-Form [2]. In der Folgezeit entstanden verschiedenste Variationen, die sich grob entsprechend Abb. 1 in vier Hauptgruppen einteilen lassen: Einringräder • Zwei- oder Mehrringräder • Räder mit Luftfederung sowie • Vollgummibereifung. • Bei den Einringrädern ist die radiale Einfederung aufgrund der im Bereich der Krafteinleitung vorwiegend druckbeanspruchten Federelemente erfahrungsgemäß auf max. 1 mm begrenzt. Bei den Zwei- und Mehrringausführungen mit überwiegend auf Schub beanspruchten Federelementen sind Federwege von 5 mm und mehr erreichbar. Damit können letztgenannte Räder auch bei Drehgestellkonzepten ohne Primärfederstufe eingesetzt werden. Eine Sonderstellung nehmen Räder mit Luftfederung – zwischen Stahlradreifen und Radfelge als Federstufe angeordnet bzw. als tragendes Element im Kontakt mit der Schiene – ein. Diese Ausführungen haben nur eine begrenzte Verbreitung gefunden, ein Beispiel findet sich bei der Pariser Metro [3]. Vollgummibereifungen, direkt im Kontakt mit der Schiene, scheiterten schon allein an den Radlasten. Besonders aus der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen sind viele Entwicklungen gummigefederter Räder bekannt, von denen sich die wenigsten am Markt durchsetzten. Gründe waren Festigkeitsprobleme, besonders bei den eingesetzten Schraub-, Niet- und Schweißverbindungen, ungünstiger Kraftverlauf in den Federelementen verbunden mit unzureichenden Federungseigenschaften, Überbeanspruchungen der Gummielemente, Kriech- und Setzerscheinungen sowie zu geringe Standzeiten. Bemerkenswert sind die Feststellungen von Hirshfeld aus dem Jahre 1933, basierend auf Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Federweg und Stoßbeschleunigung, dass gummigefederte Räder für Straßenbahnfahrzeuge von vitaler Bedeutung sind [4]. Im Jahr 1934 wurde Malmquist das Patent über ein Zweiringrad zuerkannt, welches später als SAB-Zweiringrad bekannt auch heute noch bei Nahverkehrsfahrzeugen als auch schweren Lokomotiven eingesetzt wird. Als nachteilig ist aber u. a. die aufwendige und relativ viel Platz beanspruchende Konstruktion zu werten [5]. Mit der Entwicklung des Bochumer Rades – bekannt als Bo 54 – Anfang der fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts stand dann ein Rad zur Verfügung, welches einfach und robust im Aufbau ist (Abb. 2). Es besteht aus nur zwei Stahlteilen, ohne zusätzliche Schraubverbindungen, welche durch einen elastischen Ring, gebildet aus einzelnen Gummikörpern, verbunden sind. Dieses Rad erinnert in seiner Bauform an das Rad von Hodge, nur dass es gelang, die Gummikörper ohne zusätzliche am Rad verbleibende Montageelemente einzubauen. Die Montage erfolgt mit hydraulischen Einpressvorrichtungen, auf denen die in der Radreifenbohrung vormontierten Gummikörper mittels eines Kegels auf ca. 50% ihrer Höhe zusammengedrückt werden, um anschließend ins Felgenbett des auf dem Einpresskegel montierten Scheibenradkörpers zu gleiten. Dabei erfolgt eine Entlastung auf die endgültige Vorspannung von ca. 30%. Durch axiale Schultern an beiden Stahlteilen werden die Gummikörper gegenüber Lateralbeanspruchungen neben dem Kraftschluss zusätzlich formschlüssig fixiert. In Umfangsrichtung erfolgt die Kraftübertragung ausschließlich kraftschlüssig. Dieses Rad erreichte schnell eine starke Verbreitung und ist in seiner Anfangszeit u. a untrennbar mit den klassischen DÜWAGAntrieben verbunden, die aufgrund der hohen unabgefederten Massen eine vorgeschaltete Federstufe erforderten. Durch eine Vielzahl von Modifikationen wurde diese Radkonstruktion den steigenden Anforderungen kontinuierlich angepasst. Bis heute sind weit über 200000 dieser Räder in allen fünf Kontinenten zum Einsatz gekommen, von der U-Bahn bis zur Niederflur-Straßenbahn. Als Federelemente werden nach wie vor Gummiwerkstoffe eingesetzt, d. h. der Begriff „Gummigefedertes Rad“ ist unverGummigefederte Räder für unterschiedliche Anforderungen Franz Murawa Wichtige Fahrwerkskomponenten für einen sicheren, wirtschaftlichen und umweltverträglichen Schienenverkehr Abb. 1: Verschiedene Radgrundkonzepte

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