Auszug | eb - Elektrische Bahnen 9 | 2022

360 Fokus 120 (2022) Heft 9 Interoperabilität dreimal anders Wer Interoperabilität sagt, denkt meist an Hauptbahnen des internationalen Verkehrs. Drei Beispiele aus der Schweiz zeigen, dass technische Vereinheitlichung auch bei lokalen Netzen wichtig ist und bestehende Grenzen überwinden hilft. 1 Umstellung der Linie Orbe – Chavornay (OC) von Gleich- auf Wechselstrom Am 17. April 1894 fuhren zwischen dem Städtchen Orbe und dem Bahnhof Chavornay an der Linie Lausanne – Yverdon der damaligen Suisse-OccidentaleSimplon-Bahn die ersten elektrischen Züge. Die knapp 4 km lange Linie war die erste elektrische Normalspurbahn in der Schweiz. Auf ihrer ganzen Länge wurde sie von Anfang an elektrisch betrieben. Gespeist wurde sie vom Kraftwerk Orbe mit DC700V. 1971 konnte die Firma Furrer+Frey die 77 Jahre alten Fahrleitungsanlagen erneuern. Bei zwei engen Kurven mit 160m bis 200m Radius wurde eine windschiefe Fahrleitung mit Spannweiten von 33m gebaut, auf dem Rest der Strecke eine Hochkette mit fest abgespanntem Tragseil. Jetzt, nach weiteren rund 50 Jahren, besteht ein Projekt, die Linie auf 1AC 15 kV 16,7Hz umzustellen. Sie wird damit auch in Bezug auf die Stromversorgung der Richtlinie des BAV über IOP-Anforderungen an Strecken des Ergänzungsnetzes (RL IOP) unterliegen. Dies wird es erlauben, die Industrie in der Ebene des Flusses Orbe ohne Lokomotivwechsel in Chavornay, wo heute die Systemtrennstelle liegt (Bild 1), zu bedienen und im Personenverkehr direkte Züge Orbe – Chavornay – Lausanne zu führen. Auf der ganzen Länge ist einheitlich eine Hochkettenfahrleitung mit festem Tragseil geplant, wobei die Spannweite in den engen Kurven auf 20m reduziert werden muss. Die ursprünglich von den Kraftwerken Orbe gebaute und betriebene Bahn gehört heute der TRAVYS, die neben der OC auch die Bahnen Yverdon – Ste-Croix (YSteC) und Le Pont – Le Brassus (PBr) sowie die Verkehrsbetriebe Yverdon-Grandson (TPYG) betreibt. Vor rund einem Jahr wurde der einzige Personentriebwagen der OC schadhaft. Ein Busersatz wurde eingerichtet. Neue Triebwagen wurden gesucht. Dank angepasster Radprofile und vereinheitlichter Normen für die Spurweite sowie die beiden Stromsysteme war es möglich, zwei DUEWAG-Triebwagen GT8-100C-2S der Stadtbahn Karlsruhe einzusetzen. Ein Hindernis war die Stromabnehmerwippe. Durch das Anbringen besonderer Endhörner (Bild 2) konnte die Wippenbreite reduziert werden. Dennoch waBild 1: Kurze Systemtrennstelle bestehend aus zwei Streckentrennern im Bahnhof Chavornay; Blickrichtung von der OC zur SBB (alle Fotos: Furrer+Frey AG). Bild 2: Breite Stromabnehmerwippe mit kurzen Endhörnern auf dem Triebwagen aus Karlsruhe.

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