Auszug | eb - Elektrische Bahnen 8 | 2022

281 Editorial 120 (2022) Heft 8 Klimawechsel D er diesjährige Sommer ist besonders heiß, und wahrscheinlich wird das ganze Jahr im Rückblick als eines der wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnung gelten. Die Rufe nach einem Wandel werden laut. Diese Einsicht fällt nun zusammen mit einem befürchteten Energiemangel im kommenden Winter, dem nur in zweierlei Richtung begegnet werden kann: dem Verzicht auf Dinge, an die wir uns gewöhnt haben und die uns lieb geworden sind, und der möglichst effektiven Nutzung zur Verfügung stehender Energieressourcen. Bei Bahnen ist die elektrische Bahn diejenige, die mit der zur Verfügung stehenden Energie am effizientesten umgeht. Der Wirkungsgrad vom Kraftwerk bis zu den Antriebswellen der Triebfahrzeuge ist bei keinem anderen Verkehrsmittel so effizient wie bei der aus der Fahrleitung versorgten elektrischen Bahn. Das System ist erprobt und leistungsfähig. Etwas weniger effizient sind Triebfahrzeuge, die einen Akkumulator als Hauptenergieträger nutzen. Die Energie muss gespeichert werden, was zusätzliche Verluste verursacht, und die Akkumulatoren müssen auch transportiert werden, wofür zusätzliche Energie erforderlich ist. Der energetische Unterschied zu unter einer Fahrleitung betriebenen Fahrzeugen ist deutlich, aber verkraftbar, zumal der infrastrukturseitige Aufwand überschaubar ist. Ziemlich weit danach kommen die Verkehrsmittel mit allen anderen Energieträgern, sei es Wasserstoff oder Kraftstoffe für den Verbrennungsmotor. Für Wasserstoff gilt diese Aussage, solange die für die Elektrolyse benötigte Elektroenergie nicht ausnahmslos direkt aus regenerativen Energien wie Wind- oder Solarenergie gewonnen wird und auch sonst kein weiterer Bedarf an Elektroenergie besteht. Diese Erkenntnis ist bekannt, wenn sie auch oft verschwiegen oder nicht beachtet wird. Bleiben wir also bei der elektrischen Bahn. Die Hauptlast im deutschen Schienenverkehr, egal ob städtischer Nahverkehr, Regional- oder Fernverkehr oder auch der Gütertransport, wird von elektrischen Bahnen energieeffektiv und zuverlässig bewältigt. Betriebliche Störungen im Bereich der Bahnenergieversorgung oder der Traktionsausrüstung auf den Fahrzeugen sind sehr selten. Deren Verfügbarkeit und die Zuverlässigkeit sind sehr hoch. Hier stecken jede Menge Erfahrungen im System. Störungen haben mitunter häufig andere Ursachen. Wie die Halbjahres-Bilanzpressekonferenz der Deutschen Bahn ausweist, konnte die Verkehrsleistung im ersten Halbjahr 2022 gegenüber dem Vorjahr signifikant gesteigert werden. Und das auf einem Streckennetz, das in einzelnen Regionen überlastet ist und an seine operativen Grenzen gelangt. Die Verkehrsleistung lässt sich nicht beliebig steigern. Digitalisierung mit dem Ziel der Streckenkapazitätserhöhung ist ein Weg. Ohne Erneuerung der vorhandenen Bahninfrastuktur und der Schaffung von Möglichkeiten für eine an sich höhere Streckenauslastung wird es nicht gehen. In dieser eb-Ausgabe berichten zwei Aufsätze über die Erweiterung des Karlsruher Modells. Dieses wird zu 100% elektrisch betrieben und zeigt, dass der Übergang von AC- auf DC-Strecken und umgkehrt technisch möglich ist. Die Erhöhung der Fahrgastzahlen seit der Einführung des Karlsruher Modells Anfang der 1990er Jahre ist gravierend und hat dazu beigetragen, Verkehr von der Straße auf die Schiene zu lenken. In Kassel, Saarbrücken und Nordhausen ist man diesen Weg auch gegangen. In Chemnitz plant man seit Mitte der 1990er Jahre ein ähnlich geartetes Projekt und setzt es seitdem Schritt für Schritt um. Mangels elektrifizierter Strecken im Umland hat man hier zunächst auf dieselelektrische Hybridfahrzeuge gesetzt. Künftig will man auch hier nur noch rein elektrische Zweisystemfahrzeuge beschaffen und Ergänzungsstrecken mit AC 15 kV 16,7Hz elektrifizieren. Mit der nunmehr errichteten Systemtrennstelle im Hauptbahnhof Chemnitz sind die Voraussetzungen für den Einsatz der neuen Fahrzeuge geschaffen. Diese Beispiele zeigen, dass es gelingen kann, Verkehrssysteme durch Infrastrukturmaßnahmen attraktiv zu machen und auch zusätzliche Fahrgäste zu gewinnen, und das auch noch energieeffizient. Bei DC-Unterwerken mit der Hesop-Technologie oder beim GUW+ steht die effektive Energienutzung im Vordergrund. Hierzu gibt es Neues zu berichten. Die in dieser Ausgabe beginnende Aufsatzserie zum Thema „Auflaufbedingungen bei Weichenfahrdrähten“ zeigt theoretische Grundlagen und praktische Erfahrungen für den Fall sich kreuzender oder nähernder unterschiedlicher Fahrleitungsbauformen, speziell mit festem oder mit beweglichem, das heißt mit nachgespanntem Tragseil. Diese Thematik ist auch dann wichtig, wenn ältere Infrastruktur mit neuen Elementen ergänzt oder erweitert werden soll. Bisher fehlen hierzu regulative Vorgaben. Der Beitrag regt an, diese auf der gezeigten Grundlage zu schaffen. Der Aufsatz wird in den folgenden eb-Ausgaben fortgesetzt. Dr. Steffen Röhlig Chefredakteur eb 8 2022 ePaper Abonnement 2022 ã Georg Siemens Verlag GmbH & Co. KG Vervielfältigung und Verbreitung unzulässig und strafbar!

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