Auszug | eb - Elektrische Bahnen 7-8 | 2020

308 Historie 118 (2020) Heft 7-8 Start der Elektrotraktion am Gotthard vor 100 Jahren Am 1. Juli 1920 lieferte das SBB-Kraftwerk Ritom erstmals 162/3 -Hz-Bahnenergie für das Durchfahren des Gotthard-Scheiteltunnels mit Regelzügen. Bis Dezember des Jahres war die Traktion auch auf den beiderseitigen Rampen umgestellt und bis Mai 1922 auf der ganzen Strecke von Luzern bis Chiasso. Nach entsprechenden Vorarbeiten und Verfahrensschritten hatten die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) im November 1913 den ersten Kredit für die Elektrifikation des 109 km langen Streckenabschnitts Erstfeld – Bellinzona bewilligt bekommen (Tabelle 1), des Kernstücks der 206 km langen Gotthardbahn mit dem 15 km langen Scheiteltunnel und den beiderseitigen, abschnittsweise bis 26‰ steilen Rampen (Bild 1). Das Projekt für künftige Traktion mit 1AC 15 kV 162/3 Hz umfasste den Bau von zwei bahneigenen Wasserkraftwerken (KW) mit Mittelspannungsschaltanlagen, etwa 80 Trassen-km Übertragungsleitungen (UL) und zwei Umspann-Unterwerken (UW), die elektrotechnische Ausrüstung der Strecke und die Anpassung der vorhandenen Strukturen. Im Juli 1914 waren die Detailprojekte gerade ausschreibungsreif, als am 1. August der Erste Weltkrieg ausbrach. Die Verfahren mussten nun für mehr als ein Jahr ruhen, weil viele Fachleute von Bahn und Industrie bis aus den höchsten Etagen zum Militärdienst einrücken mussten. Erst 1917 konnte man in großem Umfang mit Arbeiten beginnen. Deren Fortgang litt jedoch unter Mangel an Fachkräften und den Schwierigkeiten, im Ausland Rohstoffe und Halbzeuge zu bekommen. Das KW südlich des Gotthardmassivs wurde im Ticino-Tal bei Ambri-Piotta gebaut, das ist 7 km ostsüdöstlich von Airolo und dem Südportal des Gotthardtunnels. Es wurde nach dem rund 800m höher liegenden natürlichen Lago Ritombenannt, der während des Sommers reiche Zuflüsse sammelte und somit wertvolle Winterenergie speichern konnte. Um seinen Wasserspiegel anzuheben, bekam er eine Bild 1: Vereinfachtes Höhe-Länge-Profil Gotthardbahn mit Anschluss Luzern 1922, Längenskala linear gestreckt; Lago Ritombei rund 1800m (Grafik: eb/Stefan Stettler). K – Kraftwerk mit direkter Streckenspeisung, U – Umspann-Unterwerk zur Streckenspeisung Bild 2: Kraftwerk Ritom bei Ambri-Piotta im Bau-Endstadium 1920, Blickrichtung Süden; hinter Fluss Ticino heute (Gotthard-)Autobahn 2, im Wiesengelände früherer Anschlussgleisbogen, am oberen Bildrand Alte Gotthardstraße und Gotthardbahn (Archiv SBB). Tabelle 1 Elektrischer Zugbetrieb Gotthardbahn [2].  Beginn Streckenabschnitt Länge von bis km 1920 13. September Göschenen Airolo 16 13. September Airolo Ambri-Piotta 7 18. Oktober Erstfeld Göschenen 28 12. Dezember Ambri-Piotta Biasca 39 Summe 90 1921 4. April/29. Mai Biasca Bellinzona 19 1922 6. Februar Bellinzona Chiasso 55 1. Mai Goldau Erstfeld 33 28. Mai Immensee Goldau 9 Zwischensumme 97 28.Mai Luzern Immensee 19 Gesamtlänge 225

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