Auszug | eb - Elektrische Bahnen 10 | 2019

Nur zur eigenen Verwendung, nicht zur Veröffentlichung oder Vervielfältigung! 378 Fokus 117 (2019) Heft 10 In memoriam Friedrich Kießling Am 16. September 2019 verstarb unerwartet Dr.- Ing. Friedrich Kießling wenige Tage vor seinen 84. Ge- burtstag. In Fürth/Bayern, an der Wiege der ersten deut- schen Eisenbahn, 1935 geboren und aufgewachsen, war seine Bestimmung für die Eisenbahn vorgezeich- net. Nach Abschluss des mathematisch-naturwissen- schaftlichen Gymnasiums 1954 folgte das vierjährige Maschinenbau-Studium an der Technischen Univer- sität in München. Im Anschluss an seine Tätigkeit als Assistent am Lehrstuhl für technische Mechanik pro- movierte er 1971. Damit legte er die Grundlage für seine erfolgreiche Tätigkeit im Freileitungsbau. Be- reits 1965 begann er seine Kariere bei der Siemens AG in Erlangen als Gruppenleiter für Fahrleitungen und Freileitungen. Die Siemens AG nutzte das Wis- sen und die Führungsfähigkeiten von Friedrich Kieß- ling und erweiterte 1976 die Technikgruppe zur Technikabteilung. Ab diesem Zeitpunkt war er als wissenschaftlicher Berater und Leiter der Abteilung Technik und Entwicklung für die Systemtechnik Fahr- und Freileitungen bis zu seinem Ausscheiden aus der Siemens AG 1997 in Erlangen tätig. In dieser Zeit wirkte er in mehreren internationa- len Freileitungsfachgremien oder leitete diese, so bei CENELEC das Komitee TC 11 „Freileitungen“, wel- ches für die europäische Norm EN 50341 zuständig ist oder bei Cigré , dem internationalen Gremium für große elektrische Netze. Auf IEC-Ebene war er deut- scher Delegierter im Komitee TC 11 „Freileitungen“. Dort war er maßgeblich an der Erstellung der inter- nationalen Normen IEC 60826, IEC 61773 und IEC 61824 beteiligt. Seit 1967 arbeitete er innerhalb der DKE im Komitee K421 „Freileitungen“ mit und leitete dort unter anderem die Arbeitsgruppe für die Norm DIN EN 1991-1-3 Eislasten. Sein Wirken im Freileitungsbau führte zu Berech- nungsmodellen für Masten und Trassierungen sowie der Entwicklung und Berechnung von Gestängen für viele deutsche Energieversorgungsunternehmen. Ein fachlicher Höhepunkt war seine Studie zu den Lei- tungen für DC 500 kV in Deutschland. Die Projekte, die unter seiner fachlichen Leitung standen, waren Freileitungen über Elbe und Weser, in den Arabi- schen Emiraten, in Indonesien, Iran, Korea, Nigeria und Saudi Arabien. In der Türkei war er für die Frei- leitung über den Bosporus verantwortlich und in Ägypten für die über den Suez-Kanal. Aus diesem Wissensfundus entstanden Freileitungsfachbücher in englischer und deutscher Sprache, die zum weltwei- ten Standard im Freileitungsbau geworden sind, und über 50 Fachpublikationen. Im Fachgebiet der Oberleitung machte sich Fried- rich Kießling um die Entwicklung und Erprobung der Hochgeschwindigkeitsoberleitungsbauarten Re250 und Re330 im deutschen Hochgeschwindigkeitsver- kehr verdient. Er war maßgeblich an der Vorberei- tung und Durchführung der Weltrekordfahrt des ICE/V zwischen Würzburg und Fulda beteiligt, bei der am 1. Mai 1988 eine Höchstgeschwindigkeit von 406,9 km/h erreicht wurde. Seine wissenschaftlich- technische Leistung bestand in der Analyse der Vor- gänge beim dynamischen Zusammenwirken von Oberleitung und Stromabnehmer sowie der Umset- zung in ausführbare und nun seit Jahrzehnten be- währten Oberleitungsbauarten. Der deutsche Welt- rekord im Jahr 1988 war gleichzeitig eine Krönung seiner fachlichen Leistung. Friedrich Kießling legte den Grundstein für die bis 400 km/h ausgelegte Oberleitungsbauart Sicat H , die in Deutschland, Spanien, Niederlanden und China erfolgreich betrieben wird. Erstmals nutzten Monta- gefirmen Aluminium-Bauteile, an deren Einführung Friedrich Kießling wesentlichen Anteil hatte. Die aus der Entwicklung und der Konstruktion gewonnen Er- fahrungen setzte er bis 2002 als Leiter der europäi- schen Arbeitsgruppe für das Erstellen der Techni- schen Spezifikationen Interoperabilität, Teilsystem Energie um.

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