Haltepunkte | Leseprobe

HALTEPUNKTE 12 Ein Eisenbahnerleben in einer Zeit, die wie kaum eine andere auch die Bahn in Deutschland epochal verändert hat – von den alten, noch ganz den Traditionen der Staatseisenbahn verhafteten Bundesbahn und Reichsbahn hin zum international agierenden Verkehrskonzern Deutsche Bahn AG, der sich Markt und Wettbewerb stellen und zugleich die Anforderungen des Steuerzahlers als dem eigentlichen Eigentümer erfüllen muss. Ingulf Leuschel war das Eisenbahnerleben zwar nicht in die Wiege gelegt, doch schon als kleiner Junge interessierten ihn in der Hamburger Heimat schnelle Züge und die dicken Pötte auf der Elbe. Als 16-Jähriger in der 10. Klasse der Ernst-Barlach-Schule in Wedel (Holstein) verfasste er 1964 eine handschriftliche Arbeit über die Hamburger S-Bahn, mit eigenen Schwarz-Weiß-Fotos und Zeichnungen und dem sorgfältig ausgemalten Logo, dem weißen S auf grünem Grund. »Eine wertvolle Arbeit die ›mit Herz‹ geschrieben ist«, urteilte seine Lehrerin. Trotz eines überschwänglichen Lobes konnte sie sich nicht zu einer Eins durchringen: »Die äußere Ausgestaltung der Arbeit könnte ansprechender sein«, befand die Pädagogin. »Deshalb Gesamturteil gut«. Der letzte Satz des Verfassers in blauer Tinte des fast 70 Seiten umfangreichen, fachgerecht gebundenen Werks ist schon fast prophetisch: »Es wird wohl für mich das Schönste sein, wenn ich das erste Mal ›offiziell‹ einem Zug das Signal auf ›Fahrt frei‹ stellen darf.« Fotos in seiner Schularbeit dokumentieren: Als er bei seiner Recherche auch mal in ein Stellwerk durfte, hatte er bereits die Hand an den Hebeln. Nur wenige Jahre später konnte er sich als Bundesbahnassistent seinen Wunsch aus der Schülerzeit erfüllen. Er war Fahrdienstleiter in mehreren Stellwerken der Hamburger S-Bahn. Das Berufsleben führte ihn von Altona nach Amerika, er erlebte die deutsche Teilung hautnah in Berlin und hinter dem Eisernen Vorhang, er reiste europaweit als Reiseleiter der Bahn mit Sonderzügen und netten Fahrgästen nach Wien und St. Petersburg, als es noch Leningrad hieß, nach Lugano in der Schweiz, nach Skandinavien. Zeitweise kümmerte er sich auch um die Eisenbahn-Fährschiffe auf der Ostsee. Die DB AG nahm dann den viel Erfahrenen, der Bahntechnik und Betriebsabläufe bis in die minutiösen Verästelungen kennt, in den Dienst der Fahrplangestaltung. Der bundesweite ICE-Fahrplan nach der Inbetriebnahme

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