Auszug | eb - Elektrische Bahnen 5 | 2021

169 Standpunkt 119 (2021) Heft 5 Zukunft der Bahnenergieversorgung – Woher kommt der „Strom“? I ch freue mich, dass die 10. acrps -Konferenz in diesem Jahr Fachleuten aus aller Welt die Gele- genheit eröffnen wird, sich über aktuelle Ent- wicklungen und Innovationen bei der Bahn- energieversorgung zu informieren und auszutauschen. Aufgrund der Aktualität des Tagungsprogrammes ha- ben wir uns dazu entschlossen, die Tagung nicht wei- ter zu verschieben. Sie wird daher der aktuellen Situa- tion geschuldet rein digital stattfinden. Im Mittelpunkt stehen wie immer spannende Inhal- te. Aktuelle Projekte und wichtige Neuerungen aus dem Bereich der Bahnenergieversorgung werden vor- gestellt und diskutiert. Im Detail geht es zum Beispiel um elektrische Bahnenergieversorgungsanlagen, Ober- leitungen, Erdung, Rückleitung und Schutz – und zwar für Wechselstrombahnen sowohl mit AC 15 kV 16,7 Hz als auch AC 25 kV 50 Hz. Ich bin überzeugt davon, dass diese Themen auch im Online-Format zu einem regen Austausch führen werden. Denn es gibt eine ganze Reihe von Aspekten, die die Bahnindustrie, die Betreiber und natürlich das Eisen- bahn-Bundesamt als Aufsichts- und Genehmigungsbe- hörde derzeit beschäftigen. Schon im Jahr 2019 haben wir darüber diskutiert, wie wir die Elektrifizierung des deutschen Schienennet- zes voranbringen können. Um den umwelt- und ver- kehrspolitischen Zielen näher zu kommen, soll der Elek- trifizierungsgrad von 59% elektrifiziertem Streckenan- teil auf 70% erhöht werden. Inzwischen hat das Bun- desministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) sein Anfang 2019 aufgelegtes Elektrifizierungs- programm fortentwickelt und um einen weiteren Bau- stein ergänzt. Bis 2050 sollen nunmehr 100% aller ge- fahrenen Zugkilometer elektrisch oder klimaneutral zu- rückgelegt werden. Wo keine Oberleitung vorhanden ist, sollen dafür Züge nicht mehr mit Diesel, sondern mit alternativen Antrieben wie Batterien, Brennstoffzel- len oder synthetischen Kraftstoffen betrieben werden. Und die aktuelle klimapolitische Diskussion lässt weitere Anpassungen in der Zukunft vermuten. Um diese Ziele zu erreichen, stehen inzwischen ver- schiedene alternative Antriebstechnologien marktreif zur Verfügung. Jetzt gilt es, wichtige Technologieent- scheidungen zu treffen – etwa für die Ausschreibungen mit Betriebsstart ab 2025 bis 2031 – und demzufolge auch die nötigen Infrastrukturrandbedingungen zeit- nah zu schaffen. Unter dem Motto Zukunft der Bahn- energieversorgung – Woher kommt der „Strom“? werden diese Themen diskutiert und erörtert. Bei der Entscheidung über die Art der Energieversor- gung und die anzuwendenden Antriebskonzepte ist es unabdingbar, sich auf aktuelle Erkenntnisse und Studi- en abzustützen. Besondere Aufmerksamkeit verdient dabei die Frage, ob und in welchen Fällen eine Strecke zum Teil oder vollständig zu elektrifizieren ist. Nur so wird es gelingen, die Vorgaben der Politik anforderungsgerecht um- zusetzen und die angestrebte Verkehrssteige- rung auf der Schiene zu realisieren. Für nicht oder nur teilweise elektrifizierte Strecken wird der Bund den Prozess der Um- stellung auf Akkumulator- und Hybridfahrzeu- ge mit dem neuen Förderprogramm des BMVI sowohl fahrzeug- als auch infrastrukturseitig noch stärker als bisher unterstützen. Wo eine Elektrifizierung sinnvoll ist, sollten die entspre- chenden Bauvorhaben möglichst zügig in An- griff genommen werden. Was die Genehmigungsverfahren angeht, hat der Gesetzgeber verschiedene Schritte unternommen, um Elektrifizierungsmaßnahmen deutlich zu beschleuni- gen: So ist für die Ausrüstung einer Strecke mit einer Oberleitung unter bestimmten Voraussetzungen gar kein Planfeststellungsverfahren mehr erforderlich. In den Fällen, in denen ein Genehmigungsverfahren not- wendig ist, etwa, weil eine Umweltverträglichkeitsprü- fung erfolgen muss, gibt es eine weitere wichtige Ver- besserung: Das Eisenbahn-Bundesamt hat im letzten Jahr auch die Aufgabe der Anhörungsbehörde über- nommen, die zuvor bei den Bundesländern angesiedelt war. Die ersten Anhörungsverfahren sind bereits ange- laufen und auf der Internetseite meiner Behörde veröf- fentlicht. Durch den Wegfall dieser Schnittstelle wird das Verfahren gestrafft, und auch die genehmigungs- pflichtigen Oberleitungsprojekte können schneller rea- lisiert werden. In Deutschland gibt es seit zwei Jahren eine neue Einrichtung, die für den Verkehrsträger Schiene unab- hängige, anwendungsorientierte Forschung betreibt. Das Deutsche Zentrum für Schienenverkehrsforschung beim Eisenbahn-Bundesamt (DZSF) hat in seinen ersten Jahren bereits erfreulich viele neue Projekte auf den Weg bringen können. Das betrifft auch den Bereich Bahnenergieversorgung. Erste Forschungsberichte sind zeitnah zu erwarten. Das DZSF wird damit einen wich- tigen Beitrag leisten, um die Zukunftsfähigkeit des Ver- kehrsträgers Schiene sicherzustellen Gerald Hörster Eisenbahn-Bundesamt Präsident

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