Auszug | eb - Elektrische Bahnen 10 | 2020

ISSN 0013-5437 // B 2580 // Jahrgang 118 // www.eb-info.eu 10 2020 • Kraftwerk Ritom • Wasserkraftwerk Rupperswil-Auenstein • New method for determining the low-frequency stability limit of a 50 Hz electric traction power system • Conductive ground level power supply for electric roads • Besonderheiten der Stromschiene der Hamburger S-Bahn

Firmenverzeichnis Gemacht für dauerhafte Geschäftsbeziehungen. Das Firmenverzeichnis auf www.eb-info.euund in eb – Elektrische Bahnen. Rail Power Systems GmbH Garmischer Str. 35 D-81373 München Telefon: +49 89 41999-0 Telefax: +49 89 41999-270 E-Mail: info@rail-ps.com Internet: www.rail-ps.com www.rps.jobs Furrer Frey b a u t F a h r l e i t u n g e n ® Furrer+Frey AG Ingenieurbüro, Fahrleitungsbau Thunstrasse 35, Postfach 182 CH-3000 Bern 6 Telefon +41 31 357 61 11 Telefax +41 31 357 61 00 Furrer+Frey AG Ingenieurbüro, Fahrleitungsbau Thunstrasse 35, Postfach 182 CH-3000 Bern 6 Telefon: +41 31 357 61-11 Telefax: +41 31 357 61-00 Internet: www.furrerfrey.ch DEHN SE + Co KG Hans-Dehn-Str. 1 D-92318 Neumarkt Telefon: +49 9181 906-0 Telefax: +49 9181 906-1100 E-Mail: railway.technology@dehn.de Internet: www.dehn.de Dipl.-Ing. H. Horstmann GmbH Humboldtstraße 2 D-42579 Heiligenhaus Telefon +49 2056 976-0 Telefax +49 2056 976-140 http://www.horstmanngmbh.com European Trans Energy Spezialist im Bereich Fahrleitungen Emil-Fucik-Gasse 1 A-1100 Wien Telefon: +43 1 934 66 87 5100 Telefax: +43 1 934 66 87 5110 contact@europten.com www.europten.com Rail ConCert Dreßler e.U. Kefergasse 22/2/17 A-1140 Wien Telefon: +43 1 94 64 650 E-Mail: info@railconcert.at Internet: www.railconcert.at SIGNON Deutschland GmbH Schützenstraße 15–17, 10117 Berlin Telefon: +49 30 247387-0 Telefax: +49 30 247387-11 www.signon-group.com www.signon-group.com/ offene-stellen info@signon-group.com Widap AG Friesenstrasse 11 CH-3185 Schmitten Telefon: +41 26 497 50 60 Telefax: +41 26 497 50 69 E-Mail: info@widap.com Internet: www.widap.com ENGINEERING&CONSULTING ENO_Logo_Engineering_ConsultingV0.3.indd 1 06.12.2019 08:40:40 ENOTRAC AG Seefeldstrasse 8 CH-3600 Thun Tel. +41 33 346 66 11 Fax +41 33 346 66 12 info@enotrac.com www.enotrac.com

373 Standpunkt 118 (2020) Heft 10 Normalität? L etzthin schrieb Ian Walsmley in einem Artikel in der renommierten britischen Fachzeitschrift „Modern Railways“ über die Zeit nach der Corona-Pandemie: „We will still be led by the same people who buy rubbish trains, pay too much for everything, and respond to the greatest crisis since the war with a face mask.“ Der Satz hat uns nachdenklich gemacht, denn bei uns ist alles anders: Wir haben nur perfekte Züge, alles ist kostengünstig und effizient, und ... Bereits wenige Tage nach Beginn der Pandemie haben die Medien für die Zeit ab Herbst 2020 die „Neue Normalität“ ausgerufen. Hauptbestandteil: Wir werden alle Masken tragen. Seither arbeiteten sie beharrlich und äußerst erfolgreich auf dieses Ziel hin. Wissenschaftliche Erkenntnisse, dass dies ausserhalb von klar definierten Situationen einen Nutzen hat, wurden keine präsentiert, auch wenn die meisten Journalisten und Politiker im Kreis herum das Gegenteil behaupten. Neben dem Luftverkehr, der zusätzlich unter unvorhersagbaren Quarantäneregeln leidet, und anderen Branchen hat es auch den Öffentlichen Verkehr hart getroffen. Nur wenige Fahrgäste sind stolz darauf, dass sie einen Beitrag zur Bewältigung der Pandemie leisten, indem sie auch in einem leeren Zug mit Maske sitzen. So wie der damalige Leiter der Abteilung für übertragbare Krankheiten des Schweizer Bundesamts für Gesundheit, der das in einem Interview bekanntgegeben hat. Mit Physik und mit Statistik hat dies nichts zu tun, mit Medizin wohl auch nicht. Wenn Sie uns kennen, wissen Sie, dass wir keine großen Freunde von überdimensionierten RAMSStudien sind. Im gegebenen Fall wäre aber eine auch öffentlich anerkannte, saubere Anwendung dieser Methodik ein erster Schritt, um die Situation vielleicht doch ein bisschen besser zu beherrschen, und nicht nur Panik und Populismus regieren zu lassen. Etwas mehr Engagement von Seiten der Entscheidungsträger im öffentlichen Verkehr dürfen wir uns schon wünschen. Es ist allzu bequem, sich einfach bis auf weiteres mit Staatsgeldern über Wasser zu halten, wenn die Passagiere wegbleiben, während der Strassenverkehr boomt wie nie zuvor. Wie lange kann sich die Gesellschaft ein Verkehrssystem leisten, das nicht mehr richtig genutzt wird? Doch zurück zu den Zügen, die ja das Thema von eb - Elektrische Bahnen sind. Erfreulich ist, dass insbesondere sinnvolle langfristige Entwicklungen bisher kaum von Kürzungen betroffen sind. Die Erprobung umweltfreundlicher Antriebe geht weiter, Systemkonzepte werden studiert, Anwendungen vorgeschlagen, Bestellungen abgearbeitet und Fahrzeuge ausgeliefert. Parallel müssen wir uns ständig fragen, wo es notwendig ist, sich von der „alten Normalität“ abzugrenzen: Schlechte Züge, zu teure Anlagen, unsinnige Normen, ungeeignete Betriebskonzepte ...? Für alles lassen sich Beispiele und Gegenbeispiele finden. Dies zu diskutieren ist unter anderem die Aufgabe von Fachtagungen, wie die schon im letzten Editorial angekündigten drei im November. Im Internet, durch reale Treffen, oder zu Anlässen, die doch nochmals ein paar Monate verschoben wurden, bis sie wieder „normal“ stattfinden können. Wichtig bleibt: lassen wir uns dabei keinen Maulkorb verpassen! Martin Aeberhard Dr. Markus Meyer Mitglieder des Programmkomitees der Electrosuisse-Bahntagung

374 Inhalt 118 (2020) Heft 10 Standpunkt M. Aeberhard, M. Meyer Normalität? 373 Fokus Kraftwerk Ritom 376 Wasserkraftwerk Rupperswil-Auenstein 378 Engineering Y. Hachicha, D. Cypers, Maxime Meli, P. Ladoux, N. Roux New method for determining the low-frequency stability limit of a 50 Hz electric traction power system 380 Neue Methode zur Bestimmung der Niederfrequenzstabilitätsgrenze eines 50-Hz-Bahnenergieversorgungssystems Détermination de la limite de stabilité basse fréquence du système d’alimentation de traction ferro- viaire à 50 Hz P. Duprat Conductive ground level power supply for electric roads 392 Elektrisch leitende Bodenenergieversorgung für Straßen Captage direct au sol des routes électriques 10 / 2020

375 Inhalt 118 (2020) Heft 10 Fachwissen M. Korda Chemnitzer Modell – Entwicklung und Ausblick 400 Chemnitzer Modell – Development and Future Le Modéle de Chemnitz (Chemnitzer Modell) – Développement et vision Praxiswissen M. Adam Besonderheiten der Stromschiene der Hamburger S-Bahn 407 Conductor rail specifics of the urban railway in Hamburg Particularités du rail conducteur du S-Bahn de Hambourg Nachrichten 411 Impressum 420 Termine U3 Furrer Frey b a u t F a h r l e i t u n g e n ® Furrer+Frey Deutschland GmbH Gross-Berliner Damm 96-98 12487 Berlin Telefon +49 30 322 93 15 10 Telefax +49 30 322 93 15 26 www.furrerfrey.de Furrer+Frey AG Ingenieurbüro, Fahrleitungsbau Thunstrasse 35, Postfach 182 CH-3000 Bern 6 Telefon +41 31 357 61 11 Telefax +41 31 357 61 00 www.furrerfrey.ch Anzeige

376 Fokus 118 (2020) Heft 10 Kraftwerk Ritom Das älteste Wasserkraftwerk der SBB wird nach 100 Jahren Betrieb erneuert. Das neue Gebäude wird auch die weiter arbeitenden zwei Maschinengruppen des dicht daneben stehenden 50-Hz-Wasserkraftwerks Stalvedro umhausen. Das seit 1920 arbeitende SBB-Speicherkraftwerk Ritom beim Ort und Bahnhof Ambrio-Piotta an der Gotthard-Südrampe [1] (Bild 1) wird durch ein neues, auch für die Landesversorgung bestimmtes Gemeinschaftskraftwerk der Partner SBB und AET (Azienda Elettrica Ticinese) ersetzt. Kurznachrichten zu diesem Projekt heben immer auch auf das in etwa 70m Abstand von dem SBB-Werk stehende, 1968 in Betrieb genommene Laufwasserkraftwerk Stalvedro der AET ab (Bild 2) und erwecken dabei manchmal den Eindruck, als ob dieses mit ersetzt würde; aktuelles Beispiel: „Neue Zentrale schluckt altes Stalvedro“. Das ist nicht ganz falsch wie gleich gezeigt wird, und im Zusammenhang mit Wasserkraft auch originell formuliert, kann aber leicht missverstanden werden. Die Gesamtsituation ist in Bild 3 zu sehen; Namen und Zahlen werden im Text nicht unnötig oft wiederholt. Von 1924 bis 1928, also bald nach dem SBB-Werk, ließ 5 km talabwärts von Ambri-Piotta die Vorgängerin der AET beim Ort Rodio, Bahnstation heute Rodio-Fiesso, ein Kraftwerk (C in Bild 3 B ) bauen. Mit einer Maschinengruppe aus Pelton-Turbine und 10-MW-Generator sowie ursprünglich auch einer Pumpe ausgerüstet, sollte es mit dem gleichnamigen See als Speicher zusammenarbeiten, was aber nur bedingt erfolgreich wurde. Das oberste Kraftwerk (A) der Kette, oft auch mit dem Ortsnamen Airolo bezeichnet, nahm 1945 kurzzeitig einen Teilbetrieb auf, während rund 1000m höher beiderseits des Gotthard-Passes noch Staumauern mit rund 300m Kronenlänge für je einen Speicher im Bau waren. Der etwas tiefer liegende der beiden hatte ursprünglich seinen natürlichen Abfluss mit der Gotthardreuss nach Norden und bekam 25Mio.m3 Nutzinhalt, der andere floss schon vorher nach Süden in den Ticino ab und bekam 9Mio.m3 Nutzinhalt. Beide wurden 1947 fertig und das Kraftwerk 1948. Mit zwei Maschinengruppen aus PeltonTurbine und 29-MW-Generator liefert es heute 100GWh/a. Ursprünglich floss das abgearbeitete Wasser ungeregelt in den Ticino. Von 1966 bis 1968 wurde dann ein 0,37 Mio.m3 großes Ausgleichsbecken gebaut, zu sehen direkt südlich von Gotthard-Bahnstrecke und Gotthard-Autobahn vor der Einfahrt in deren Tunnelportale. Zu dem Kraftwerkswasser kommen hier natürliche Zuflüsse von umliegenden Hängen und Tälern und vor allem der Ticino vom 20 km langen Val Bedretto ab dem Nufenen-Pass. Gleichzeitig entstand direkt neben dem SBB-Speicherkraftwerk Ritom das Laufwasserkraftwerk Stalvedro. Ein 5,5 km langes Gerinne, das unterwegs noch einen Zufluss aufnimmt, leitet reguliert das Wasser Bild 1: Druckrohrleitung und Kraftwerk Ritom der SBB, im Vordergrund wegen Autobahn stillgelegtes Anschlussgleis (Bild 1 in [1]) (Foto: Herdis Behmann, 2016). Bild 2: Kraftwerk Stalvredo der AET, vorn Ticino, am oberen Bildrand links Druckrohrleitung Kraftwerk Ritom (Bild: AET).

378 Fokus 118 (2020) Heft 10 Wasserkraftwerk Rupperswil-Auenstein Genau hundert Jahre nachdem sie ihr erstes 162/3 -Hz-Kraftwerk in Betrieb genommen hat, stellt die SBB noch wieder eine neue Synchronmaschine auf. Auf den 30. September 2020 hat die SBB den Anteil der Axpo am Laufwasserkraftwerk Rupperswil-Auenstein übernommen. Als Gemeinschaftswerk wurde dieses an der Aare von einer Aktiengesellschaft aus SBB (55%) und damals Nordostschweizerische Kraftwerke (NOK, 45%) ab 1941 gebaut und ab 1945 betrieben; die NOK ging später in die Axpo über. Seine Bruttofallhöhe wurde (9,75…11,60)m, die Ausbauwassermenge beachtliche 490 m3/s. Aufgestellt wurden zwei Kaplanturbinen á 21,2MW Nennleistung sowie jeweils ein 50-Hz-Drehstromgenerator mit 22MVA Leistung und ein 162/3 -Hz-Einphasengenerator mit 30MVA Leistung (Werte laut SBB). Die Produktion liegt im langjährigen Mittel etwas über 200GWh/a und floss bisher zu gleichen Teilen an die beiden Eigentümer. Die SBB braucht für das Bahnangebot der Zukunft zusätzliche Leistung und Energie und will diesen Mehrbedarf mit Wasserkraft decken; bereits jetzt stammen daraus 90% ihrer Bahnenergieerzeugung. Ihr Ziel ist es, ab 2025 ausschließlich mit erneuerbarer Energie zu fahren. Das Werk Rupperswil-Auenstein spielt dabei insofern eine wichtige Rolle, als es die Versorgung des Streckennetzes im Mittelland und in der Großregion Zürich stärken kann. Deshalb hat die SBB ihr Rückkaufsrecht beansprucht, den Anteil der Axpo übernommen und die Aktiengesellschaft abgewickelt. Gleichzeitig wurde eine neue, nunmehr befristete Konzession erteil. Im Rahmen eines seit Frühjahr 2020 laufenden Modernisierungsprojekts ersetzt die SBB den Drehstromgenerator durch einen neuen 16,7-Hz-Generator mit 24MVA Leistung; die Turbine wird beibehalten. Dessen „Synchrondrehzahl“ wird mit 100min–1 angegeben – die Betriebsdrehzahl ist allerdings heute 100,2 min–1. Während dieses Umbaus und der Aare-Kraftwerk Rupperswil-Auenstejn, Kanton Aargau (CH), Blick von Oberwasserseite nach Osten, rechts Gebiet Einwohnergemeinde Rupperswil, links Gebiet Einwohnergemeinde Auenstein (Foto: SBB).

380 EngineeringRail Power Supply 118 (2020) Heft 10 New method for determining the lowfrequency stability limit of a 50 Hz electric traction power system Yosr Hachicha, David Cypers, Maxime Meli, Séméac (FR); Philippe Ladoux, Nicolas Roux, Toulouse (FR) Low frequency voltage instabilities in AC railway traction power supply networks are due to the interactions between modern traction vehicles and infrastructure. To calculate the correlations a straightforward method to determine the stability limit of the traction system has been developed. The method is based on the plot in the complex impedance plane (R, X) of the stability limit curve of a traction chain. The validation of this method is performed through the use of a PC simulation. Neue Methode zur Bestimmung der Niederfrequenzstabilitätsgrenze eines 50-Hz-Bahnenergieversorgungssystems Niederfrequenzspannungsinstabilitäten in Bahnenergieversorgungsanlagen von Wechselstrombahnen sind auf die Wechselwirkungen zwischen modernen Triebfahrzeugen und der Infrastruktur zurückzuführen. Zur Berechnung der Zusammenhänge wurde eine vereinfachte Methode zur Bestimmung der Stabilitätsgrenze des Bahnenergieversorgungssystems entwickelt. Die Methode basiert auf dem Diagramm in der komplexen Impedanzebene (R, X) der Stabilitätsgrenzkurve einer Traktionskette. Die Validierung dieser Methode erfolgt mittels einer PC-Simulation. Détermination de la limite de stabilité basse fréquence du système d’alimentation de traction ferroviaire à 50 Hz Les instabilités de tension basse fréquence des réseaux ferroviaires électrifiés en courant alternatif sont dues aux interactions entre les véhicules de traction modernes et les infrastructures. Le développement de cette méthode simple pour déterminer la limite de stabilité d’un système de puissance ferroviaire est présenté dans cet article. La méthode est basée sur le tracé dans le plan d’impédance complexe (R, X) de la courbe de limite de stabilité d’une chaîne de traction. La validation de cette méthode est réalisée grâce à l’utilisation d’une simulation PC. 1 Introduction In the early 2000s, many cases of voltage instability were observed in AC rail networks as a result of the massive introduction of traction vehicles equipped with four-quadrant rectifiers (4-Q). The phenomena occurred on both the electrified railway lines in AC15 kV 16,7Hz and AC25 kV 50Hz. In order to determine the origins of the phenomenon, several theoretical studies were carried out [1; 2; 3]. Low frequency instability appears as an amplitude modulation of the contact line voltage and current at very low frequency (a few Hertz). Figure 1 shows the waveforms of the first case of low frequency instability that appeared in northeastern France near the city of Thionville in 2008 [4]. In practice, these low-frequency oscillations can lead to train traction power supply shut down when current or voltage ripple reaches detection threshold. The electric traction power system (composed of the traction power supply network and the traction -900 -600 -300 0 300 600 900 -40 -20 0 20 40 0,00 0,25 0,50 0,75 s 1,00 t UCL ICL a b Figure 1: AC 25 kV 50 Hz electic power supply – Modulation of contact line voltage (a) and current (b) measured at the substation in Thionville – France (source: Didier Frugier/SNCF, modified: eb)].

391 Fachwissen 118 (2020) Heft 10 Berichtigung Zu „Einsatz batteriebetriebener Tram-Train-Fahrzeuge im Vollbahnbereich“ in eb Heft 10/2020, Seiten 336–343 Bei der redaktionellen Bearbeitung von Bild 6 ist ein Fehler unterlaufen. Bei der Angabe „Infrastrukturanpassungen nicht notwendig“ muss es richtig „11“ heißen. Das Bild ist hier korrekt wiedergegeben. Bild 6: Notwendige Infrastrukturanpassungen: Streckenelektrifizierung notwendig. norddeutsches Tie and: 3 Strecken Mittelgebirgsraum: 6 Strecken Voralpenland: 2 Strecken Infrastrukturanpassungen nicht notwendig: 11 Strecken Streckenelektri zierung notwendig: 11 Strecken Ladepunkt im Endbahnhof ausreichend: 4 Strecken Blickpunkt Ab Seite 400 dieser Ausgabe wird über das Chemnitzer Modell berichtet. Ein wesentlicher Bestandteil des Projekts ist der Chemnitzer Hauptbahnhof, der für die eine bessere Verknüpfung des Stadtverkehrs mit dem Eisenbahnfernverkehr und für den Übergang von Fahrzeugen aus dem BOStrab- in den EBO-Bereich umgebaut wurde. Die Straßenbahnfahrzeuge vom Typ Tatra T3D und Regio-Variobahn stehen an den Straßenbahn-Bahnsteigen. Rechts im Hintergrund sind die höheren Bahnsteigkanten für die CB-Linien nach Burgstädt, Mittweida und Hainichen zu erkennen, dahinter erhöht die Fernbahnsteige (Foto: VMS).

392 EngineeringeTransport 118 (2020) Heft 10 Conductive ground level power supply for electric roads Patrick Duprat, Saint-Ouen (FR) As a promoter of sustainable mobility and a pioneer in ground-based feeding solutions for urban rail transport, Alstom extends the use of its APS (alimentation par le sol) technology to road transport, accompanying the shift from petrol- and diesel-powered vehicles to electrically powered vehicles. The APS supplies electricity to vehicles at ground level by means of a segmented conductive rail installed on the road surface. The APS for road solution is based on the same technology because it offers a safe and efficient feeding system that can be used to supply power or recharge the batteries of a large range of electric vehicles. Elektrisch leitende Bodenenergieversorgung für Straßen Als Förderer nachhaltiger Mobilität und Pionier bei der Einspeisung aus der Fahrbahn (alimentation par le sol, APS) für den städtischen Schienenverkehr weitet Alstom den Einsatz seiner APS-Technologie auf den Straßentransport aus und begleitet damit die Umstellung von Benzin- und Dieselfahrzeugen auf elektrisch betriebene Fahrzeuge. Das APS versorgt Fahrzeuge vom Boden aus über eine segmentierte, auf der Fahrbahnoberfläche installierte Leiterschiene mit Strom. Die Lösung APS für den Straßenverkehr basiert auf der gleichen Technologie, da sie ein sicheres und effizientes Einspeisesystem bietet, das zur Stromversorgung oder zum Aufladen der Batterien einer großen Anzahl von Elektrofahrzeugen verwendet werden kann. Captage direct au sol des routes électriques En tant que promoteur de la mobilité durable et pionnier des solutions d’alimentation par le sol (APS) pour le transport ferroviaire urbain, Alstom étend l’utilisation de sa technologie APS au transport routier, en accompagnant le passage des véhicules à essence ou diesel aux véhicules électriques. L’APS fournit de l’électricité aux véhicules au niveau du sol au moyen d’un rail conducteur segmenté, installé sur la surface de la route. La solutionAPS pour la route est basée sur la même technologie car elle offre un système d’alimentation sûr et efficace qui peut être utilisé pour alimenter ou recharger les batteries d’une large gamme de véhicules électriques. 1 Introduction One of the pillars of Alstom’s strategy is to innovate by pioneering smarter and greener mobility solutions. This leads the company to develop solutions beyond the traditional rail market. As examples of these new fields of innovation, Alstom has developed a full electric bus called APTIS, is involved in autonomous shuttles with Easy Miles, and is developing charging solutions for road vehicles. Alstom has a long expertise in power supply and catenary systems, but has also developed innovative charging solutions using energy transfer from conductive segments installed on the ground surface. This started beginning of 2000 with the development of the APS system for tramways. APS is a service-proven solution for catenary-free tramway operation, which preserves the aesthetics of city centers, reduces the footprint of the LRT system by eliminating poles, and optimizes safety and operation reliability. The key advantages include no electrical power limitation, no risk of running out of power in degraded operation mode, full compatibility with all types of road and track-bed surfaces, and easy line extensions. With the APS system, the power is supplied to the tram vehicle through a segmented street-level power rail embedded between the running rails in the axis of the track. Conductive segments are switched from off to on to off as the tram progresses, ensuring total safety for pedestrians. The APS third rail is made of 8m long conductive segcontact shoes and antennae switching cubicle conductive segment 8 m power boxes unit insulated segment 3 m back-up batterie unit Figure 1: Alstom APS System for trams (source: Alstom).

400 FachwissenProjekte 118 (2020) Heft 10 Chemnitzer Modell – Entwicklung und Ausblick Mathias Korda, Chemnitz Das Chemnitzer Modell ist ein Schienen-Nahverkehrsprojekt in Sachsen. Im Ballungsraum Chemnitz werden dabei die Schienennetze der städtischen Straßenbahn mit dem regionalen Eisenbahnnetz verbunden, um durchgehende umsteigefreie Linien aus dem Stadtzentrum bis ins Umland fahren zu können. Das Projekt erforderte eine langfristige Planung und den Einsatz von Zweisystemfahrzeugen, für die eine entsprechende Energieversorgung vorzubereiten war. Chemnitzer Modell – Development and Future The Chemnitzer Modell is a local rail transport project in Saxony (Germany). In the Chemnitz metropolitan area, the rail network of the city tram will be connected to the regional rail network in order to be able to run non-stop lines from the city center to the surrounding area. The project required long-term planning and the use of two-system vehicles, for which an appropriate power supply had to be prepared. Le Modéle de Chemnitz (Chemnitzer Modell) – Développement et vision Le Modéle de Chemnitz (Chemnitzer Modell) est un projet de transport local par rail en Saxe (Allemagne). Dans l’ére metropolitaine de Chemnitz, le réseau du tramway urbain sera relié au réseau ferroviaire régional dans le but d’opérer des lignes du centre ville vers les communes alentour sans changement. Le projet a necessité une planification sur le long terme ainsi que l’introduction de véhicules bi-systeme, pour lesquels une alimentation particuliére a du être imaginée. 1 Gesamtprojekt Das Projekt Chemnitzer Modell geht zurück auf die dynamischen 1990er Nachwendejahre im Osten Deutschlands. Der erste Landesentwicklungsplan Sachsen definierte die drei Oberzentren Dresden, Leipzig und Chemnitz und dabei wiederum auch die wirtschaftlichen, verkehrlichen und infrastrukturellen Verflechtungen mit den umgebenen Ballungsräumen und Mittelzentren. Für die Region Chemnitz/Erzgebirge wurde auf Initiative und mit Unterstützung der Chemnitzer Verkehrs-AG (CVAG) und des Sächsischen Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit (SMWA, damals noch ohne Verkehr im Namen) eine Verknüpfung des regionalen Eisenbahnnetzes mit dem Straßenbahnnetz analog zum Karlsruher Modell als Lösungsansatz für die zukünftigen Herausforderungen der Verkehrsentwicklung herausgearbeitet. Eine Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 1994 (Bild 1) hat dann bereits wesentliche Eckpunkte in den Themenbereichen Linienführung und Fahrzeug aber auch schon zur Finanzierung, Betrieb und der Einordnung in einen Verkehrsverbund herausgearbeitet. Technisch gesehen wurden eine Nordsüdachse Burgstädt/Oberfrohna – Wittgensdorf – Chemnitz Zentralhaltestelle – Stollberg und eine Ostwestachse Flöha – Chemnitz Zentralhaltestelle – HohensteinErnstthal empfohlen. Bei fehlender Elektrifizierung sollte ein dieselelektrischer Niederflurwagen (NordSüd) eingesetzt werden, bei vorhandener oder nachträglich erfolgter Elektrifizierung dann ein Zweisystemfahrzeug (DC 750V/AC 15 kV 16,7Hz). Anfangs war der Projektträger die CVAG und seit ihrer Gründung 1997 die City-Bahn Chemnitz GmbH. Die Gesellschafterstruktur spiegelte die regionale Verankerung des Projektes wider. 60% lagen beim kommunalen Verkehrsbetrieb der Stadt Chemnitz, der CVAG, und 40% beim regionalen Busunternehmen Autobus Sachsen. Unter dieser Struktur wurden die ersten entscheidenden Schritte zum Beginn der Umsetzung des Projektes getätigt. Erster großer Erfolg war die Inbetriebnahme der Pilotstrecke vom Chemnitzer Hauptbahnhof durch das Stadtzentrum bis nach Stollberg im Dezember 2002. Für die weitere Umsetzung des Projektes wurde 2005 der Zweckverband Verkehrsverbund Mittelsachsen (ZVMS) Vorhabensträger für das Chemnitzer Bild 1: Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 1994 (Fotos/Grafiken 1 bis 5, 7, 8: VMS).

407 FahrleitungenPraxiswissen 118 (2020) Heft 10 Besonderheiten der Stromschiene der Hamburger S-Bahn Maik Adam, Großbeeren Das System der Stromversorgung im S-Bahnnetz der Hansestadt Hamburg auf Basis einer seitlich bestrichenen dritten Schiene ist europaweit einzigartig. Lediglich in Budapest existiert ein im Prinzip, jedoch nicht im technischen Detail, vergleichbares System. Die Hamburger Eigenheiten lassen sich am besten am Objekt selbst sowie an den Herausforderungen, die Bauvorhaben vor Ort mit sich bringen, erläutern. Conductor rail specifics of the urban railway in Hamburg The power supply system of the urban railway network in Hamburg is based on a third rail, with lateral current collection, which is unique in Europe. Only in Budapest there is a system in place that is comparable in principle, but not in the technical detail. Hamburg’s peculiarities can best be explained on the system itself and the challenges faced on the construction sites. Particularités du rail conducteur du S-Bahn de Hambourg Le système d’alimentation électrique du réseau S-Bahn de la ville hanséatique de Hambourg, basé sur un troisième rail avec captage de courant latéral, est unique en Europe. Il n’y a qu’à Budapest qu’il existe un système comparable en principe, mais pas dans les détails techniques. Les particularités de Hambourg s’expliquent au mieux par ses propriétés elles-mêmes et les défis posés sur les sites de construction. 1 Einführung Die S-Bahn ist für Hamburg ein wesentliches Element der innerstädtischen Mobilität. Dies verdeutlichen allein schon die rund 280 Millionen Fahrgäste, die jedes Jahr dieses Verkehrsmittel in der Hansestadt nutzen. 1939 wurde mit dem Bau der Hamburger S-Bahn begonnen. Seit 1940 ist sie in Betrieb und umfasst, Stand Mai 2019, 147 Streckenkilometer und 68 Haltestellen. Bei durchschnittlich 1200 Zugfahrten pro Tag kommen laut Eigendarstellung der DB Netz AG rund 13 Millionen Zugkilometer jährlich zusammen. Neben der S-Bahn Hamburg GmbH gibt es in der Hansestadt und im Umland zwei weitere Nahverkehrsinfrastrukturunternehmen – die Hamburger Hochbahn AG und die AKN Eisenbahn GmbH. Für beide hat die SPITZKE SE in der Vergangenheit bereits Bauvorhaben durchgeführt. Bei dem hier vorgestellten Projekt, dem Neubau der Zugbildungsanlage (ZBA) Eidelstedt, der ZBA Stellingen, der Vorstellanlage Kronsaalsweg sowie der Zuführung zum Instandhaltungswerk Nord, war die AKN Auftraggeber. 2 Spezifikationen der dritten Schiene in Hamburg 2.1 Überblick Wie bereits eingangs erwähnt, ist das Hamburger System nahezu einzigartig. Im Gegensatz zu anderen S-Bahnstrecken, wie beispielsweise in Berlin, wird die Stromschiene in Hamburg nicht an ihrer Unterseite vom Stromabnehmer bestrichen, sondern seitBild 1: Die aktuell in Hamburg verbaute Stromschiene (alle Fotos: SPITZKE).

411 Nachrichten 118 (2020) Heft 10 Bahnen Automatische Kupplung imTest Ein von der DB geführtes Konsortium, bestehend aus den schweizerischen und den österreichischen Güterbahnen SBB Cargo und Rail Cargo Austria sowie den Wagenhaltern Ermewa, GATX Rail Europe und VTG, testet den Einsatz der Digitalen Automatischen Kupplung (DAK) bei Güterwagen. Das „Pilotprojekt zur Demonstration, Erprobung und Zulassung der Digitalen Automatischen Kupplung (DAK) für den Schienengüterverkehr“ wird vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) mit 13Mio. EUR finanziert und läuft von Juli 2020 bis zum Dezember 2022. Mit dieser Kupplung werden Güterwagen sowie deren Druckluft-, Strom-, und Datenleitungen automatisch und ohne schwere körperliche Arbeit miteinander gekuppelt. Im ersten Schritt werden zwölf Güter- und Kesselwagen von DB Cargo und GATX mit KupplungsPrototypen der Hersteller Dellner, Voith, CAF und Faiveley Transport ausgerüstet, getestet und einem Auswahlverfahren unterzogen. In der zweiten Phase wird ein Demonstratorzug aus 24 Güterwagen mit dem ausgewählten Kupplungstyp ausgerüstet und in Deutschland, in der Schweiz, in Österreich und in anderen europäischen Ländern fahren. Die DAK wird unter anderem im täglichen Einsatz in den Rangierbahnhöfen erprobt. Ziel ist es, die Auswahl eines Kupplungstyps für eine europaweite Einführung vorzubereiten. Die Umrüstungskosten eines Güterwagens werden auf 15000 bis 17000 EUR geschätzt. Diese Summe enthält neben der reinen DAK auch Automatisierungskomponenten zum Beispiel für die Bremsprobe. Die Umrüstung der 60000 DB-Güterwagen in Deutschland und für die Ausrüstung von Lokomotiven mit Hybridkupplungen beläuft sich auf 1Mrd. EUR. Eine Studie für das BMVI schätzt die Kosten für die Umrüstung von bis zu 490000 Güterwagen und 17000 Lokomotiven in den 27 EU-Ländern plus Großbritannien, Schweiz und Norwegen auf 6,4 bis 8,6Mrd. EUR. Der finanzielle Nutzen der DAK für die europäischen Bahnen wird auf 760Mio. EUR pro Jahr geschätzt. Am 18. September 2020 wurde in Brüssel ein Memorandum of Understanding (MoU) für die Europäische Digitale Automatische Kupplung im Schienengüterverkehr unterzeichnet. Die Sektorinitiative fordert vom Rat der Verkehrsminister die volle Unterstützung zur Förderung der DAK in Europa. Initiiert von der DB, den ÖBB und den SBB, wird die Sektorinitiative von den Mitgliedern der Rail Freight Forward (RFF) BLS Cargo, CD Cargo, CFL cargo, DB Cargo, Green Cargo, Lineas, LTE, ÖBB Rail Cargo Group, Ost-West Logistik, PKP Cargo, RENFE MERCANCÍAS, SBB Cargo, Fret SNCF, Mercitalia Rail und ZSSK Cargo sowie von den Branchenverbänden CER, CIT, ERFA, FTE, UIC, UIP und VDV unterstützt. Um die gemeinsame Vision eines leistungsfähigen Schienengüterverkehrs in Europa zu fördern, sind Infrastrukturbetreiber, Wagenhalter, Eisenbahnverkehrsunternehmen und andere Akteure des Sektors eingeladen, diesem MoU beizutreten. Die Unterzeichner verpflichten sich zur unionsweiten Einführung der DAK im Schienengüterverkehr bis 2030, vorbehaltlich eines soliden Migrationsplans und einer starken finanziellen Unterstützung durch die Europäische Kommission und der Mitgliedstaaten. Das Nachrichtenportal der eb – Elektrische Bahnen. Wie kaum eine andere Branche bietet die Elektrotechnik im Verkehrswesen eine Vielzahl an hochinteressanten, zukunftsträchtigen Themen und Nachrichten. Aktuelle Nachrichten finden Sie auf www.eb-info.eu und in eb – Elektrische Bahnen. Automatische Kupplung Scharfenberg des Hersteller Voith (Foto: DB).

412 Nachrichten 118 (2020) Heft 10 Zweikraft-Lokomotiven für deutsche Güterbahn DB Cargo unterzeichnete mit Siemens Mobility einen Rahmenvertrag zur Beschaffung von 400 Zweikraftlokomotiven des Typ Vectron Dual Mode. Das Investitionsvolumen beträgt deutlich über 1Mrd. EUR. Zunächst bestellte DB Cargo 100 Exemplare der in die Baureihe 248 eingeordneten Lokomotiven. Die Auslieferung beginnt 2023. Der Einsatz ist im Übergabeverkehr zu den Kunden mit Einzelwagen, Wagengruppen und Ganzzügen vorgesehen. Auf den elektrifizierten Streckenabschnitten wird elektrisch gefahren, um Kraftstoff zu sparen und Wartungskosten zu reduzieren. Auf oberleitungsfreien Streckenabschnitten wird ohne Lokwechsel in den Dieselbetrieb umgeschaltet. Die vierachsige Zweikraftlokomotive ist mit einem 2400 kW Dieselmotor mit Generator und der Ausrüstung einer elektrischen Lokomotive ausgestattet. AdBlueTechnik zur Reduktion der Stickoxide ist selbstverständlich. Mit 2000 kW Leistung am Rad in beiden Traktionsarten und 90 t Masse wird eine Anfahrzugkraft von 300 kN erreicht. Technischen Einzelheiten und eine Schnittdarstellung sind [1] zu entnehmen. [1] Graßmann, S.: transport & logistic 2019. In: Elektrische Bahnen 117 (2019), H 6, S. 220. Modularer Tragwagen DB Cargo und VTG präsentierten einen neu konstruierten Tragwagen. Im Projekt m2 wurde eine variable Plattform entwickelt, mit der sich Güterwagen individuell den Kundenbedürfnissen anpassen lassen. Je nach Einsatzzweck können vierachsige Tragwagen mit einer Ladelänge zwischen 34,7 ft und 74,3 ft konfiguriert werden. Die Auswahl von Komponenten wie Drehgestelle, Radsätze, Klotz- oder Scheibenbremsen erfolgt unter Berücksichtigung des späteren Verwendungszwecks. Damit lassen sich die Wagen nach Gewicht, Laufleistung und Kosten optimieren. Austauschbare Aufbauten ermöglichen den Transport vielfältiger Güter. Nach erfolgreichem Abschluss der im Frühjahr 2020 begonnenen Testfahrten wird die Zulassung für 2021 angestrebt. Strukturwandel in der Lausitz Am 17. September 2020 stellten der Bundesminister der Finanzen, Olaf Scholz, der Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Andreas Scheuer, gemeinsam mit Ronald Pofalla, Vorstand Infrastruktur der DB, und Prof. Sabina Jeschke, Vorstand Digitalisierung und Technik, sowie den Ministerpräsidenten von Brandenburg und des Freistaates Sachsen, Dr. Dietmar Woidke und Michael Kretschmer (Bild 1), Pläne für den Ausbau des Instandhaltungswerkes Cottbus und der Schieneninfrastruktur in der Lausitz vor. Es sind die ersten großen Vectron Dual Mode für DB Cargo mit Ragiererbühne (Visualisierung: DB). Der modulare Tragwagen wurde von DB Cargo und VTG konstruiert (Foto: DB/Pablo Castagnola). Bild1: „Großer Bahnhof“ im Werk Cottbus: zwei Ministerpräsidenten, zwei Bundesminister und zwei DB-Vorstände mit der Hybridlokomotive HELMS BR1094001 (Foto: DB/Oliver Lang).

413 Nachrichten 118 (2020) Heft 10 Vorhaben, die auf Basis des Strukturstärkungsgesetzes des Bundes finanziert werden. Mit diesem unterstützen Bund und Länder die vom Kohleausstieg betroffenen Regionen in Brandenburg, im Freistaat Sachsen, in SachsenAnhalt und in Nordrhein-Westfalen beim Aufbau zukunftsfähiger .Arbeitsplätze und neuer Wirtschaftsstrukturen. Mit Baubeginn 2023 entstehen am Standort des Werkes Cottbus eine Halle für die schwere Instandhaltung von Elektrotriebzügen, vor allem des ICE 4, eine Halle für die Umrüstung von Diesellokomotiven auf Hybridtechnik und ein Technologiezentrum zur Hybridforschung und moderne Lehrwerkstätten (Bild 2). Es sollen vor allem Diesellokomotiven der BR294 zu Hybridlokomotiven HELMS (Hybrid Electro Mechanical Shunter) der BR1094 umgebaut werden. Die Lokomotive wurde in [1] mit technischen Daten vorgestellt. Bis 2026 entstehen 1100 zusätzliche hochwertige Arbeits- und 100 Ausbildungsplätze. Im Technologie- und Verwaltungszentrum sollen sich Experten der Hybridforschung widmen. Hierzu ist anzumerken, dass die Anwendung der Hybridtechnik nur bei Rangierdiesellokomotiven zu Kraftstoffeinsparungen führt. Im Streckeneinsatz ist dieseTechnologie nicht sinnvoll, weil es in Deutschland wenige Gebirgsstrecken gibt. Hier wird technologieoffen an alternativen Antrieben für Dieseltriebwagen geforscht werden müssen. Das Instandhaltungswerk in Cottbus existiert seit 150 Jahren. Mit seinen 420 Mitarbeitern gehört es heute zur DB Fahrzeuginstandhaltung (FZI). Zweite wichtige Säule des Eisenbahn-Engagements in der Lausitz ist der Ausbau der Schieneninfrastruktur (Bild 3). Die Strecken von Cottbus nach Berlin, Leipzig, Dresden und Görlitz werden ausgebaut, elektrifiziert und für höhere Geschwindigkeiten ertüchtigt. Die EisenbahnVerbindungen nach Forst, Guben und in die polnische Nachbarregion erhalten eine umfassende Modernisierung. [1] Graßmann, S.; transport & logistic 2019. In: Elektrische Bahnen 117 (2019), H 6, S. 220. Mireo-Triebzüge für S-Bahn Rhein-Neckar Am 13. Dezember 2020 beginnt DB Regio den Verkehr im Los 2 der S-Bahn Rhein-Neckar im Rahmen eines neuen Verkehrsvertrages. Dazu gehören die heutigen S-Bahn-Linien S5/S51 Heidelberg – Eppingen/Aglasterhausen, S6 Bensheim – Weinheim – Mannheim – Mainz und die neue S9 Groß–Rohrheim – Mannheim – Schwetzingen – Karlsruhe. Zum Einsatz kommen sukzessive Neufahrzeuge vom TypMireo der Baureihe (BR) 463 des Herstellers Siemens Mobility. Die verantwortlichen Aufgabenträger – das Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg, der Zweckverband Schienenpersonennahverkehr Rheinland-Pfalz Süd (ZSPNV Süd) und die Verkehrsverbund Rhein-Neckar GmbH (VRN) für den hessischen Bild 2: Ausbau des Instandhaltungswerkes Cottbus (Grafik: DB). Bild 3: Ausbau der Strecken in der Lausitz (Grafik: DB).

414 Nachrichten 118 (2020) Heft 10 Landkreis Bergstraße sowie DB Regio Mitte und Siemens Mobility – präsentierten im September 2020 erste Triebzüge. Bis Dezember 2020 werden 38 Fahrzeuge ausgeliefert, 19 Triebzüge folgen in 2021. In diese investieren die Aufgabenträger 270Mio. EUR. Die dreiteiligen, 70m langen Züge verfügen über 200 Sitzplätze. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt 160 km/h. Die Landesanstalt Schienenfahrzeuge Baden-Württemberg (SFBW) ist Eigentümer der Fahrzeuge und verpachtet diese für die Dauer des Verkehrsvertrages an DB Regio. Die Laufzeit des Verkehrsvertrages beträgt 14 Jahre. Vorteile dieses Finanzierungsmodells sind, dass das Unternehmen auf die günstigeren Zinsen, die das Land am Kapitalmarkt erhält, zurückgreifen kann und dass das Land sicherstellt, dass die Fahrzeuge über die gesamte Nutzungsdauer von 25 Jahre im Land eingesetzt werden. Die SFBW ist Eigentümer von über 300 Fahrzeugen. Zur Erprobung der ausgelieferten und zugelassenen Neufahrzeuge setzt DB Regio Mitte ab dem 14. September 2020 erste Fahrzeuge auf planmäßige Umläufe im S-Bahn-Netz ein. Testbetrieb im Allgäu Nach zweieinhalb Jahren Bauzeit gehen Arbeiten zur Elektrifizierung der 155 km langen Strecke (München) – Geltendorf – Lindau (ABS48) dem Ende entgegen. Im Sommer 2020 fanden die letzten Tätigkeiten an Gleisen und Oberleitungsanlagen statt. Alle größeren Bauwerke wie Brücken und Stellwerke konnten vorzeitig vollendet werden. Seit Ende August steht die Oberleitung unter Spannung. Ende September führte DB Energie Tests an der Bahnenergieversorgung durch. Dabei kam erstmals ein elektrisches Triebfahrzeug auf die Strecke. Ab Anfang Oktober folgen Messfahrten für den Neigetechnikbetrieb und für die Oberleitung. Diese werden mit dem zukünftig einzusetzenden Schweizer EuroCity-Zug ETR610 mit maximal 176 km/h durchgeführt. Für die im Neigetechnikbetrieb gefahrenen höheren Geschwindigkeiten wird noch ein zusätzliches Sicherungssystem zur Geschwindigkeitsüberwachung installiert und bis Mitte Siemens Mireo BR463 der S-Bahn Rhein-Neckar (Foto: DB/Thomas Henne). Restarbeiten im Bahnhof Lindau-Reutin im September 2020 (Foto: Siegfried Graßmann).

415 Nachrichten 118 (2020) Heft 10 November in Betrieb gesetzt. Restliche Bauarbeiten und Schallschutzarbeiten im Zuge der ABS48 fanden im Herbst noch im Stadtgebiet von Lindau statt. Die Fernverkehrszüge München – Zürich werden nicht mehr Lindau Hbf auf der Altstadtinsel anfahren, sondern den neu errichteten Fern- und Regionalverkehrsbahnhof Lindau-Reutin mit Halt ohne Fahrtrichtungswechsel passieren. Wasserstofftriebzüge in den Niederlanden und Österreich Die niederländische Provinz Groningen veröffentlichte einen Bericht über die Ergebnisse der Coradia iLint-Tests, die im März 2020 auf der 65 km langen Strecke Groningen – Leeuwarden durchgeführt wurden. Der Wasserstofftriebzug von Alstom wurde mit dem Betreiber Arriva, dem niederländischen Eisenbahninfrastrukturmanager ProRail und dem Energieunternehmen Engie getestet. DEKRA, ein unabhängiges Prüf-, Inspektions- und Zertifizierungsunternehmen, agierte als Testleiter. Die Tests fanden ohne Fahrgäste statt. Alle vier Ziele des Testrahmens wurden erfüllt: Genehmigung durch die niederländische NSA (National Safety Assessor), auf dem niederländischen Schienennetz zu fahren, emissionsfreier Betrieb und abgestimmt auf den kommerziellen Fahrgasteinsatz des aktuellen Fahrplans, schnelle und einfache Betankung und Heranführen der Öffentlichkeit an die Wasserstoffmobilität. Nach den erfolgreichen Testbetrieben in Norddeutschland und den Niederlanden zwischen 2018 und 2020 wird der Coradia iLint drei Monate lang im Süden Niederösterreichs anstelle eines Dieseltriebzugs der Baureihe5022 im Linienverkehr der ÖBB auf geografisch anspruchsvollen Regionalbahnstrecken eingesetzt. Der 654101 fährt seit dem 14. September 2020 auf der Inneren Aspangbahn von Wien nach Puchberg und Gutenstein sowie auf der Äußeren Aspangbahn über Aspang nach Hartberg. Für den Zeitraum der Testphase wurde eine mobile Wasserstoff-Tankstelle auf dem ÖBB Betriebsgelände in Wiener Neustadt errichtet. Ergänzung der ÖBB-Fahrdienstvorschrift Die ÖBB-Betriebsvorschrift V3 sagt in der Ausgabe vom 15. Dezember 2019 unter dem Abschnitt VIII Besonderes im §93 Fahrten bei abgeschalteter Oberleitung als Absatz (10) weiterhin, dass der Triebfahrzeugführer (Tfzf) beim Ausfall der Oberleitungsspannung während der Fahrt „unverzüglich“ anhalten muss. Dazu ist als Anweisung vom 10. Januar 2017 verlautbart, dass im Bereich von Trennstellen, die mit Orientierungstafeln gekennzeichnet sind, mit gesenktem Stromabnehmer zu fahren ist. Im Zusammenhang mit Schwungfahren heißt es in der Vorschrift übrigens physikalisch treffend „Rollenlassen“. Die Bestimmung ist etwas rigoroser als die entsprechende in der Schweiz, wo die Züge theoretisch noch mit höchstens 40 km/h und auf Sicht bis zu einer Betriebsstelle fahren dürfen (eb 6/2020, S. 250). Dieser Unterschied ist aber unwesentlich, weil in etwa 95% der Fälle die Fahrleitung nach etwa 15 s automatischer Prüfung sowieso wieder eingeschaltet ist, und weil von den restlichen 5% mit real anstehender Betriebsgefahr rund zwei Drittel der Fälle durch Rollwiderstand und Schwerkraft nach kurzer Zeit von selbst enden. Übereinstimmend muss in beiden Ländern das Bremsen ohne Karenzzeit beginnen. DB Netz gibt in ihrer Richtlinie 492.1005 dafür noch 30 s vor und fordert danach kein sofortiges Bremsen, sondern nur, „an geeigneter Stelle anzuhalten“ – also nicht etwa „an der nächsten“. Das lässt den Tfzf in der Ebene oder gar im Gefälle weites Ermessen. In Frankreich ist bei Spannungsausfall sofortige Betriebsbremsung und nach 20 s fehlender Spannung sogar Schnellbremsung vorgeschrieben. WasserstofftriebzugCoradia iLint der ÖBB (Foto: ÖBB).

416 Nachrichten 118 (2020) Heft 10 Cloud-Stellwerk Derzeit gibt es 660 Stellwerke, davon 298 elektronische, im Netz der ÖBB. Künftig könnte der Zugbetrieb mit einem Stellwerk in der Cloud von einem zentralen Rechenzentrum aus gesteuert werden. Das schafft die notwendigen Kapazitäten für die Mobilität der Zukunft. Die Herausforderung im sicherheitskritischen Eisenbahnumfeld liegt bei der Digitalisierung darin, Technologien wie Cloud Computing, Wireless Communication und Industrial IoT-Lösungen unter den höchsten Sicherheitsanforderungen nutzbar zu machen und die optimale Verfügbarkeit des Systems zu gewährleisten. Das globale Technologieunternehmen Thales arbeitet mit der ÖBB-Infrastruktur an neuen Technologien und der Hinführung der zugehörigen Lösungen zur Serienreife wie auch an der schrittweisen Digitalisierung des gesamten derzeitigen Portfolios – einschließlich Migrations- und Kompatibilitätsfrage. Bei einer Live-Demonstration wurde in einer Österreich-Premiere gezeigt, wie ein Stellwerk in der Cloud funktionieren kann. Die Steuerung des Stellwerks am Bahnhof Wöllersdorf übernahm ein Cloud-Rechner, um vom Standort der Thales am Handelskai aus die Signale und Weichen im Bereich Wöllersdorf zu stellen. Die Demonstration zeigte, dass der richtige Weg eingeschlagen wurde. Es gilt, die Innovation im täglichen Betrieb nutzbar zu machen. Sicherungstechnik für Regionalstrecken Die DB investiert 100Mio. EUR in die Ausstattung älterer mechanischer und elektromechanischer Stellwerke sowie eingleisiger Nebenstrecken mit zusätzlicher Sicherungstechnik. Die wenigen eingleisigen Strecken, die bislang kein automatisches Zugmeldeverfahren haben, werden mit diesem ausgerüstet. Diese elektronische Sicherungstechnik stellt sicher, dass Züge nicht auf eine belegte Strecke einfahren können. Bis Ende 2023 sollen 600 Stellwerke damit ausgestattet sein. Digitale Stellwerke Jeder dritte Streckenkilometer im rund 34000 km langen Eisenbahnnetz wird derzeit von elektronischen Stellwerken gesteuert. Die Zukunft gehört den digitalen Stellwerken (DSTW), deren Einführung begonnen hat. Mit einem Memorandum of Understanding vereinbarten am 2. September 2020 in Berlin der Verband der Bahnindustrie in Deutschland (VDB), das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) und die DB, die komplette Digitalisierung der Stellwerkstechnik bundesweit bis zum Jahr 2035 zu erreichen. Die ursprüngliche Planung ging vom Jahr 2040 aus. Die Bahnindustrie, Bundesbehörde und DB werden auf der Grundlage des geltenden Rechts Abläufe für die Planung, Genehmigung und Finanzierung sowie die Umrüstung der Technik im bestehenden Bahnnetz beschleunigen. Die digitale Stellwerkstechnik ist neben der laufenden Ausrüstung des Netzes mit dem europaweit einheitlichen Zugbeeinflussungssystem ETCS der wichtigste Baustein im Zukunftsprogramm Digitale Schiene Deutschland. Bis Ende 2021 werden 500Mio. EUR investiert, um in zehn Regionen digitale Stellwerke einzuführen. Vorgesehen sind unter anderem Regionalstrecken in der Nordpfalz, dem Bayerischen Wald und im Allgäu. Diesellok der Baureihe 261 im Einsatz mit Güterzug vor einem klassischen Stellwerk in Lobenstein (Foto: DB/Jochen Schmidt).

417 Nachrichten 118 (2020) Heft 10 Energie und Umwelt Vegetationspflege über Satelliten Etwa 70% der DB-Strecken führen durch Gebiete mit Baumbestand. Die Bahn hat die Vegetationspflege in den letzten Jahren bereits deutlich erweitert, um sturmsicherer zu werden. Neben dem Rückschnitt am Gleis und der Förderung stabiler Baumarten zählt eine intensivierte Inspektion der Vegetation dazu. Für dieses Programm hat die DB personell und finanziell deutlich aufgestockt. Jährlich stehen 125Mio. EUR für die Vegetationspflege zur Verfügung. Satelliten erfassen den Baumbestand, den Abstand der Vegetation zu Gleisen sowie die Wuchshöhe der Gehölze deutschlandweit. Das Startup LiveEO wertet die Satelliten-Bilder aus und erstellt digitale Vegetationskarten entlang der Bahnstrecken. Die DB kann so besonders sturmanfällige Bäume noch besser identifizieren und rechtzeitig behandeln. LiveEO hat eine Methode für Erdbeobachtungen großflächiger Gebiete entwickelt, bei der Satellitenaufnahmen mit Machine Learning – einem KI-Verfahren – ausgewertet werden. In Zusammenarbeit mit der DB konnte LiveEO die Anwendung verbessern und das erste Mal erfolgreich einsetzen. LiveEO nahm 2018 am Startup-Förderprogramm in der DB mindbox teil. Autonomiestufen in der Netzbetriebsführung Der Ausbau der Wind- und Solarenergie führt bei verzögertem Netzausbau die Netze zunehmend an ihre Kapazitätsgrenzen. Hinzu kommt der Zuwachs bei neuen Abnehmern wie der Elektromobilität. In einem VDE Impulspapier [1] zeigt die Energietechnischen Gesellschaft im VDE (VDE ETG), wie mithilfe von Automatisierungstechnik schrittweise bis 2030 die reibungslose Stromversorgung bei höheren Anforderungen sichergestellt werden kann. In Anlehnung an die Autonomiestufen beim hochautomatisierten Fahren definieren die Experten fünf Autonomiestufen für den Netzbetrieb. Es wird aufgezeigt, welche Teilautomatisierungsfunktionen Stand der Technik sind und identifiziert Prozesse, deren Automatisierungsgrad schrittweise bis zu einem Umsetzungshorizont 2030 erhöht werden soll, um die zunehmende Komplexität des Netzbetriebs beherrschbar zu machen. Speziell in den Mittel- und Niederspannungsnetzen wird zur Umsetzung der aktiven Netzführung und Koordination flexibler Einspeiser und Lasten ein deutlich höherer Automatisierungsgrad notwendig. Die schnelle Regelbarkeit von leistungselektronischen Netzkomponenten bis hin zu Anlagen für die Hochspannungsgleichstromübertragung (HGÜ) erfordert für den sicheren Netzbetrieb schnelle und automatisierte Mechanismen. Auch neue Anforderungen, wie beispielsweise der mittlerweile umfangreiche Redispatch und die Netz-Markt-Koordination, machen eine automatisierte Vorgehensweise zwingend erforderlich. Eine Gesamtsystemautomatisierung in den Autonomiestufen 4 und 5 erwarten die Experten in den nächsten zehn Jahren nicht. Es sind über entsprechende Teilautomatisierungsstufen Schritte in diese Richtung möglich, um die zunehmende Komplexität zu beherrschen und die Netzführung sicherer und effizienter auszugestalten. In den Leitstellen des Übertragungsnetzes ist bereits jetzt die Autonomiestufe 1 (Decision Support) für zahlreiche Funktionen wie etwa das Vegetationspflege mit künstlicher Intelligenz (Grafik: DB).

418 Nachrichten 118 (2020) Heft 10 Engpassmanagement als Entscheidungsunterstützung für das Systemführungspersonal möglich. Um die Reaktionsfähigkeit durch Teilautomatisierung (Autonomiestufe 2) zu erhöhen, wird dies unter anderem für Schaltprogramme eingesetzt. Perspektivisch empfehlen die Experten, die Teilstörungsbeseitigung und den Lastabwurf teilautomatisiert (Autonomiestufe 2) auszuführen. Für das Engpassmanagement und die Spannungs- beziehungsweise Blindleistungskoordination empfehlen die Experten die Autonomiestufe 3. [1] VDE (Hrsg.): Systematisierung der Autonomiestufen in der Netzbetriebsführung. VDE Impuls Juli 2020. Elektromobilität im Straßenverkehr Elektrischer Gelenkbus Die Stuttgarter Straßenbahn (SSB) nahm im September 2020 den bundesweit ersten elektrischen Gelenkbus von Volvo auf der Schnellbuslinie X1 in Betrieb. Der dreiachsige 18,5m lange Volvo 7900 EA ist für 150 Fahrgäste ausgelegt und wird von einem I-SAM-Doppelmotor mit 397 kW Leistung angetrieben, der im Heck nach links versetzt angeordnet und als Retarder geschaltet ist. Der Bus verfügt über das elektronische Bremssystem EBS mit Berganfahrhilfe, ABS und abschaltbarem ASR. Die zulässige Gesamtmasse beträgt 29 t. Das Energiespeichersystem besteht aus einer Lithium-Ionen-Batterie mit automatischer Batterietemperaturregelung. Der Bus hält die Batterien auf Betriebstemperatur, um das Fahrzeug ohne Aufwärmphase starten zu können. Die 24-V-Batterien werden aus der 600-V-Batterie geladen, und die Vorwärmung des Innenraums kann über eine Zeitschaltuhr erfolgen. Die SSB errichtete auf dem Betriebshof in Gaisburg zwei Ladestationen mit jeweils zwei Ladesäulen. Sie ermöglichen sequentielles Laden. Das bedeutet, dass an eine Ladesäule gleichzeitig zwei Busse mittels Combo2-Steckern gehängt werden können. Erst wenn die eine Batterie voll ist, wird automatisch der zweite Bus geladen. Der Einsatz ist Teil des Erprobungskonzepts der SSB auf der mit ungünstigen topographischen und klimatiTabelle Netzbetrieb-Autonomiestufen. Reichweite der Automatisierung Autonomiestufe Definition keine Automatisierung Autonomiestufe 0 Die Systemführung trifft auf Basis von Melde-/Messinformationen Entscheidungen über Sollwerte und setzt diese manuell, ferngesteuert um. 0a – Observability: Die Systemführung kann den Netzzustand basierend auf Messinformationen überwachen. 0b – Controllability: Die Systemführung kann den Netzzustand mit Hilfe von fernsteuerbaren Betriebsmitteln beeinflussen. Teilfunktionsautomatisierung Autonomiestufe 1 Assistenz Hintergrundfunktion, die (ständig oder nach Aktivierung durch den Systemführer) Berechnungen durchführt. 1a – Awareness: Die Systemführung wird durch die Hintergrundfunktion durch Informationen unterstützt. 1b – Decision Support: Die Hintergrundfunktion liefert der Systemführung Handlungsvorschläge, über deren Umsetzung die Systemführung entscheidet. Autonomiestufe 2 Teilautomatisierung Funktion, die durch die Systemführung aktiviert wird und ohne eine weitere Freigabe durch die Systemführung automatisiert regelt. Autonomiestufe 3 Bedingungsautomatisierung Funktion, die durch auslösende Bedingung (zuvor durch Systemführer definiert) automatisch aktiviert wird und ohne weitere Freigabe durch die Systemführung automatisiert regelt. Gesamtsystemautomatisierung Autonomiestufe 4 Hochautomatisierung Eine sehr große Zahl der erforderlichen Funktionen/Systemdienstleistungen ist durch Bedingungsautomatisierungen abgedeckt. Der Netzbetrieb läuft im Normalbetrieb und bei üblichen Fehlerfällen (daily business) automatisiert. Bei seltenen Störereignissen wird der Systemführer für den Betrieb hinzugezogen. Autonomiestufe 5 Vollautomatisierung Es ist kein Systemführer erforderlich. Abgesehen vom Festlegen der Zielparameter, der Bedingungen und Regeln sowie beim Starten des Systems, ist kein menschliches Eingreifen erforderlich.

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