Auszug | eb - Elektrische Bahnen 9 | 2019

360 Historie 117 (2019) Heft 9 Zur Entstehung der Reichsbahn- Einheitsfahrleitung und deren Bezeichnung Unterlagen des Reichsbahn-Zentralamts München für die Fachdezernenten bei den Reichsbahndirek- tionen und das Zeichnungswerk beweisen den mühseligen Weg, aus der Vielzahl der Firmen-Oberlei- tungsbauarten zu einer „Einheitsfahrleitung“ zu kommen und für diese eine geeignete Bezeichnung zur Abgrenzung gegenüber neuentwickelten genormten Oberleitungsbauarten zu finden. In [1] wird unter umfassender Auswertung allgemein zugänglicher Veröffentlichungen nachgewiesen, dass es bei der Deutschen Reichsbahn(-Gesellschaft), also von 1920 bis 1948, nie eine „Einheitsfahrlei- tung 1928“ gegeben hat. Vielmehr sei diese konkre- te Bezeichnung im Jahre 1954 aus der Feder eines in einer Schlüsselposition sitzenden Fahrleitungsfach- manns der Deutschen Bundesbahn (DB) ohne Be- achtung der tatsächlichen Gegebenheiten entstan- den [2; 3]. Es wird ferner gezeigt, dass der im Fach- schrifttum erstmals 1924 auftauchende Begriff sich zunächst ausdrücklich nur auf das grundsätzliche Schema des Längskettenwerkes bezog und dass noch 1928 mangelnde Vereinheitlichung der Einzel- teile konstatiert wurde. Um Hinweise darauf finden, wie es zu dieser Kennzeichnung einer in den 1930er Jahren nur in Süddeutschland gebauten Fahrleitungsbauart ge- kommen sein könnte, wurden weitere, bahninterne Unterlagen ausgewertet. Vorkriegs- und Kriegszeit In den Dokumenten [4] kommt der Begriff „Einheits- fahrleitung“ nicht vor. Das umfangreiche Papier [5] spricht gleich im ers- ten Satz von „der einfachen und bewährten Bauform der sog. Einheitsfahrleitung der Deutschen Reichs- bahn“ und später von der Aufgabe, „für künftige Elektrisierungen eine neue Einheitsfahrleitung unter Berücksichtigung des Reichsstromabnehmers, hoher Fahrgeschwindigkeiten, hoher Stromstärken und des Heimstoffproblemes zu entwickeln.“ Weiter wird von der „Einheitsfahrleitung mit Y am Stützpunkt“, der „Einheitsfahrleitung mit großem Y-Beiseil“ und der „Entwicklung der neuen Regelfahrleitung“ gespro- chen. In der ersten Wortmeldung zur Aussprache heißt es: „Die vom RZA ( Anm .: Reichsbahn-Zentral- amt) München entwickelte neue Fahrleitung für hohe Geschwindigkeiten und große Strombelastung zeigt eine erfreuliche Rückkehr zu der einfachen Bau- art der alten Einheitsfahrleitung, wobei deren Fehler durch die neue Bauart beseitigt sind.“ In den Unterlagen zu [6] schreibt der Bearbeiter A. Mosler : „Eine zweite umfassende Vereinheitlichung besonders der Einzelteile wurde in den Jahren um 1930 herum durchgeführt. Damals wurde … eine große Zahl für das ganze Reich gültiger Einheits- zeichnungen herausgegeben. Nur die auf Grund die- ser Zeichnungen … gebauten Fahrleitungen wurden in der Folge als wirkliche ,Einheitsfahrleitung‘ be- zeichnet. Als Standardtyp dieser wirklichen ,Einheits- fahrleitung‘ ist vor allem die Fahrleitung der Strecke Augsburg – Stuttgart zu nennen.“ Nach ausführli- cher Darstellung der Mängel der als Einheitsfahrlei- tung bezeichneten Bauart bei höheren Geschwindig- keiten wird „Die neue Fahrleitung Bauart 1942“ vor- gestellt, womit erstmals einer bestimmten Fahrlei- tungsbauart eine Jahreszahl zugeordnet wird. Weiter wird von der „Konstruktion der neuen Einheitsfahr- leitung der Deutschen Reichsbahn“ gesprochen und diese in unvermaßten Einbauzeichnungen von Drehausleger, Kettenwerk, Stützpunkt im Quertrag- werk, Kreuzung zweier Kettenwerke und Fahrdraht- kreuzung vorgestellt. Im Bild gezeigt wird auch ein Versuchsaufbau aus zwei Stützpunkten mit Drehaus- leger und einem Stützpunkt im Quertragwerk im März 1942 auf dem Gelände der Elektrotechnischen Versuchsanstalt in München-Freimann in Bodennähe. Festzuhalten ist, dass dem Verfasser bisher kein Dokument aus dieser Periode vorgekommen ist, das den Begriff „Einheitsfahrleitung“ mit einer Jahreszahl verknüpft hätte. Nachkriegszeit Ende 1949 erschien eine maschinengeschriebene Publikation mit eingeklebten Schwarzweißfotos [7]. Weitgehend findet sich hier die Argumentation aus [6], wobei es jetzt allerdings durchgängig „Einheits- fahrleitung 1930“ heißt. Von dieser Behelfsausgabe erschien 1953 eine überarbeitete, gedruckte und geheftete Fassung [8]. Auch hier wird durchgehend von der „Einheitsfahr- leitung 1930“ gesprochen. Außerdem findet sich der Begriff „Die neue Regelfahrleitung 1950“, und es wer

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