Auszug | eb - Elektrische Bahnen 5 | 2019

169 Standpunkt 117 (2019) Heft 5 Bauvorhaben in der Metropolregion Berlin/Brandenburg Der zentrale Bereich Berlin ist fertiggestellt, die S-Bahn ist nach der Teilung weitgehend wieder in Betrieb genommen – damit sind doch die Baumaß- nahmen abgeschlossen: Das ist vielerorts die Mei- nung über den Zustand der Bahninfrastruktur im Großraum Berlin. Dem ist mitnichten so. Nahezu 50% der S-Bahninfrastruktur in Berlin/Brandenburg bieten noch den bemitleidenswerten Anblick vom Zustand kurz vor beziehungsweise nach dem 2. Weltkrieg. Wichtige teilungsbedingt ausstehende Lückenschlüsse harren aufgrund der mitunter diver- gierenden Standpunkte zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg zum Nahverkehrsangebot noch der Realisierung. Hinzu kommt die Zunahme der Bevölkerung im Großraum Berlin – die Prognosen gehen von einem Anstieg der Bevölkerung allein in Berlin von unter 3,5Mio. auf rund 4Mio. Einwohner bis 2030 aus. Hinzu kommt der ungebrochene Trend der Bevölke- rung zum Umstieg auf den öffentlichen Personen- nahverkehr. Im Bewusstsein des Klimawandels wird sich dieser Trend wohl eher noch verstärken – und hiermit sind wir auch bei den elektrischen Bahnen, dem Verkehrsmittel Nummer 1 mit Blick auf CO 2 - Reduktion und Nachhaltigkeit. Die Länder Berlin und Brandenburg haben daher mit dem VBB und DB Netze ein ehrgeiziges Nahverkehrsausbauprogramm i2030 vereinbart, das neben den erwähnten Lücken- schlüssen auch den Ausbau von Regional- und S-Bahntrassen zum Inhalt hat. Vorsichtige Schätzun- gen gehen von einem Investitionsvolumen von über 2Mrd. EUR aus, und davon wird auch einiges bei den Ingenieurbüros, der Bahnindustrie und Firmen im Bereich der Bahnenergieversorgung hängen bleiben. Was bedeutet das für die Branche? Zum einen steht ab 2020 eine neue beschleunigungsstarke Zug- generation für die S-Bahn bereit, die einen erhebli- chen Nachrüstungs- und Verdichtungsbedarf bei der auch mittlerweile in die Jahre gekommenen Bahn- energieversorgung der S-Bahn erfordert. Die ent- sprechenden Neubauten von Unterwerken stehen nicht nur abseits sozusagen im Niemandsland, son- dern hier und dort auch an prominenter Stelle und bedingen daher mitunter zeitaufwändige Plange- nehmigungsverfahren. Zudem sind einige S-Bahn- bauvorhaben wie beispielsweise die Verlängerung von Blankenfelde nach Rangsdorf, die Revitalisierung der Potsdamer Stammbahn, die Verlängerung Tel- tow – Stahnsdorf, der Ausbau des Korridors Berlin – Spandau – Nauen, der Ausbau S25 Schönholz Rich- tung Velten und der Wiederaufbau und die Verlänge- rung der Siemensbahn nach Spandau sowie Eng- passbeseitigungen vorgesehen. Die angesprochenen Maßnahmenpakete bedin- gen neben einem gemeinsam getragenen verkehrli- chen Ansatz auch einen langen politischen Atem bei den politischen Entscheidungsträgern in Berlin und Brandenburg und natürlich Finanzmittel. Ausbau- maßnahmen benötigen umfangreiche Planungen und Genehmigungsverfahren, hier ist dann neben DB Netz und DB Energie und den beauftragten Inge- nieurbüros auch das Eisenbahn-Bundesamt als Auf- sichts- und Genehmigungsbehörde gefragt. Das Eisenbahn-Bundesamt wird bei diesen Verfahren künftig neben der Planfeststellung auch als Anhö- rungsbehörde gefordert sein. Die Projekte müssen natürlich auch realisiert und in Betrieb genommen werden. Zu diesen verstärkten Anstrengungen kommt zu- dem ein Generationswechsel im Ingenieurs- und Fachpersonal hinzu. Die Unternehmen, auch die Verwaltungen, plagen schon jetzt erhebliche Nach- wuchssorgen. Wir gehen daher schon in die Schu- len, um junge Menschen für die innovative, umwelt- freundliche und hochinteressante Bahnbranche zu begeistern. Während also auf der einen Seite hände- ringend eine große Zahl von Nachwuchsingenieur- innen und -ingenieuren gesucht wird, halten die Bemühungen der politischen Entscheidungsträger für die Ausstattung der Hochschulen in Berlin und Brandenburg auf diesem Sektor leider immer noch nicht Schritt. Es bleibt also noch viel zu tun … Dr.-Ing. Hartmut Freystein Leiter der Außenstelle Berlin des Eisenbahn-Bundesamtes

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